Kolumne von Thomas Rausch

Gold: "Das Schlimmste liegt hinter uns"

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

während Goldman Sachs in den letzten Monaten nicht müde wurde, immer wieder einen Einbruch des Goldpreises bis auf US$1.000 heraufzubeschwören, waren am vergangenen Montag von der Bank of America mildere Töne zu hören.

"Wir glauben, dass die physische Goldnachfrage der Schwellenländer mittelfristig weiteren Einfluss gewinnen wird, da in diesen Ländern der Wohlstand wächst. Das lässt uns annehmen, dass der Goldmarkt das Schlimmste überstanden hat."

Der Analyst Michael Widmer verweist auf die anhaltend hohe Goldnachfrage vor allem aus China, die die Verkäufe der westlichen Investoren kompensiere. Er erwartet, dass die Investoren zukünftig nur im kleinen Stil mit Gold handeln werden. Ihre Käufe und Verkäufe, die vor allem getrieben seien von kurzfristigen makroökonomischen Themen, würden für eine gewisse Volatilität sorgen. Einbrüche wie 2013 erwartet er aber nicht, denn die großen Portfolioanpassungen, die im vergangenen Jahr durch die Erwartung auf zukünftig höhere Zinsen ausgelöst wurden, seien bereits abgeschlossen.

China mit Rekord-Goldimporten

Tatsächlich sind Chinas Goldimporte in diesem Jahr außergewöhnlich hoch. Aus den Daten der Shanghai Gold Exchange (SGE) geht hervor, dass per 11. Juli 2014 bereits mehr als 1.000 Gold an der chinesischen Goldbörse ausgeliefert wurden. Hält dieser Trend an, könnte China in diesem Jahr mehr als 1.800 Tonnen Gold importieren. Das wäre gegenüber dem letzten Rekordjahr, in dem China allein über Hong Kong 1.100 Tonnen importierte, ein Plus von über 60 Prozent.

Quelle: BullionStar.com – Godimport vs. Minenproduktion

Enttäuschend sind hingegen die Nachrichten vom indischen Goldmarkt, denn die Importzölle wurden entgegen der Erwartungen bisher nicht gesenkt, so dass in diesem Jahr mit einer Erhöhung der offiziellen Goldimporte kaum zu rechnen ist. Allerdings dürfte der Goldschmuggel weiter blühen. Nach Schätzungen des World Gold Council sollen seit der Einrichtung der Importbeschränkungen 200 bis 250 Tonnen Gold nach Indien geschmuggelt worden sein. Tendenz steigend.

Bodenbildung bei den Gold-ETFs

Das Interesse der Goldinvestoren ist in der Tat im Moment nicht besonders groß. Im Dezember 2012 verwaltete der größte Gold-ETF SPDR Gold Trust über 1.350 Tonnen Gold. Aber während aus dem Fonds im letzten Jahr noch 550 Tonnen Gold abflossen, verzeichnet er in diesem Jahr wieder moderate Zuflüsse. Im März hielt er 881 Tonnen, die sich bis Ende Mai auf 776 Tonnen reduzierten, um in diesem Monat wieder auf 800 Tonnen zu steigen. Dem hohen Verkaufsdruck des letzten Jahres scheint eine Bodenbildung gewichen zu sein.

Quelle: Thorsten Polleit von Degussa-Goldhandel.de – Gold ETFs

Ihre Argumentation ist sehr löchrig. Dass Chinas Mittelschicht wohlhabender wird und ihre Goldnachfrage steigen würde, wussten wir auch schon 2012 und 2013. Obwohl die Schwellenländer und die Notenbanken jeweils eine Jahresgoldproduktion aufgekauft haben, ist der Goldpreis unter die Räder gekommen.

Der Goldpreis konnte bisher kaum davon profitieren, dass China seine Importraten in diesem Jahr massiv angehoben hat, während der große Verkaufsdruck der westlichen Investoren ausgeblieben ist.

Gehen wir einmal mit der Bank of America davon aus, dass zum Glück der Goldanleger letztlich nur noch ein gesteigertes Interesse der westlichen Investoren notwendig ist: Ist die Wette auf steigende Zinsen, die den Goldpreis gedrückt habe, tatsächlich so aussichtsreich?

Diese Wette setzt letztlich auf eine breite Erholung der US-Konjunktur. Doch die hat sich bisher – so Janet Yellen – immer wieder als "trügerische Morgenröte" erwiesen. So auch in diesem Jahr. Kontinuierlich wurden die Schätzungen für das US-BIP für 2014 nach unten korrigiert. Vor einem Monat hat z.B. der IWF seine Prognose für dieses Jahr um 0,8 Prozent auf nunmehr 2 Prozent gesenkt. Außerdem rät er dem Fed, die Zinsen länger auf dem extrem niedrigen Niveau zu belassen, als Investoren das im Moment erwarten. Was ist aus dem Konjunkturoptimismus des Fed geworden, der Ende letzten Jahres nach einer spektakulären Verzögerung im September endlich zum Tapering geführt hat? "Wir waren vielleicht etwas zu optimistisch." Wieder einmal.

Der nachlassende Konjunkturoptimismus lässt sich auch bei der Renditeentwicklung der 10jährigen US-Staatsanleihen ablesen. Vom Zwischenhoch bei 3,05 Prozent Ende Dezember ist sie um 19 Prozent auf 2,48 Prozent gefallen. Wo spiegelt sich denn die Erwartung der großen Zinswende wider?

US Staatsanleihen

Aber gut, warten wir die erste offizielle Schätzung des US-BIPs für das zweite Quartal am 30.07. ab. Wahrscheinlich wird die Wirtschaft nach dem Minus im ersten Quartal wieder gewachsen sein. Aber wehe, wenn das Wachstum deutlich unter den von Goldman Sachs geschätzten 3,5 Prozent liegt!

Der Zins ist das A und O an den Finanzmärkten (und damit übrigens auch für ganze Gesellschaften bzw. unseren Alltag). Darüber hinaus gibt es aber auch noch andere wesentliche Faktoren, die einen Einfluss auf die Strukturierung von Portfolios internationaler Investoren haben können:

Geopolitische Pulverfässer

Die Stimmen, die ein Ende der Ukraine-Krise für Ende Mai prognostizierten, sind angesichts der Realität verstummt.

Der Nahe Osten brennt: Irak, Syrien, Israel, Libyen, Ägypten,…

Die Euro-Krise schwelt

"Bitte seien Sie beruhigt. Die Bank Espírito Santo ist ausreichend kapitalisiert. Bitte gehen Sie weiter, es gibt absolut nichts zu sehen." Doch dann ging es ganz schnell: Zuerst meldete die Mutter Espírito Santo International, die 20,1 Prozent an der Bank hält, Insolvenz an, dann ihre Tochter Rioforte. Damit sind zwei der größten Unternehmen Portugals, kurz nachdem das Land den Rettungsschirm verlassen hat, pleite. Während EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso keinerlei Ansteckungsgefahren für das europäische Bankensystem sieht, warnt der portugiesische Präsident Anibal Cavaco Silva davor, dass die Santo-Krise aber durchaus einen negativen Einfluss auf die portugiesische Wirtschaft haben könnte. Und damit, so muss man ergänzen, natürlich auch für das Bankensystem.

Der Niedergang der Weltleitwährung

Die BRIC-Staaten bauen ihre eigene Entwicklungsbank und einen eigenen Währungsfonds auf und handeln vermehrt, unabhängig vom US-Dollar, in ihren eigenen Währungen. Selbst Frankreich droht angesichts der Rekordstrafe, die die USA gegen die französische BNP verhängt hat, mit dem Ausstieg aus dem Dollar-System. Das ist zwar nur eine leere Drohung. Aber dass sie überhaupt ausgesprochen werden kann, spricht gegen die unangefochtene Autorität des Dollar. Die Erosionserscheinungen der Weltleitwährung werden immer deutlicher sichtbar.

Die Grenzen der Abenomics

Trotz beispielloser Gelddruckorgie senkt Japan für dieses Jahr seine Wachstumsprognose von 1,4 auf 1,2 Prozent. Ja, die Inflationsrate steigt und der schwache Yen macht die Exportwirtschaft wettbewerbsfähiger. Theoretisch. Leider steigt die globale Nachfrage nach japanischen Gütern nicht im erwünschten Ausmaß. Vielmehr versuchen auch andere hoch verschuldete Staaten sich über Außenhandelsüberschüsse aus der Krise zu exportieren und sind deshalb ebenfalls bestrebt, ihre Währungen abzuwerten. Die jüngste Eskalation dieses Währungskrieges markiert die verhältnismäßig erfolgreiche Verbalintervention der EZB gegen den Euro. Eine verhängnisvolle Eskalationsspirale ist in Gang gekommen.

Quelle: Zerohedge – BIP-Schätzungen

Fazit

Ja, die Bank of America könnte richtig liegen. Bei Gold liegt das Schlimmste vermutlich hinter uns. Aber sie hat vermutlich aus den falschen Gründen recht. Die Fokussierung auf die mögliche Zinsentwicklung geht nicht nur von falschen Wachstumshoffnungen aus, sondern blendet außerdem andere weitreichende Realitäten, die für ein Investment in Gold als sicheren Hafen sprechen, völlig aus. Diese Realitäten sind alles andere als abstrakt. Sie werden vom schnelle Geld der westlichen Investoren und den Mainstreammedien noch ausgeblendet. Aber sie werden vermutlich schon sehr bald sichtbar werden.