Lateinamerikas Ambitionen in der Lieferkette gefährden Chinas Dominanz vorerst nicht
Ilan Goldfajn, Präsident der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB), sieht einen neuen Trend auf den Rohstoffmärkten Lateinamerikas: Regierungen der Region versuchten, größere Teile der Wertschöpfungskette zu halten, anstatt Rohstoffe wie Lithium oder Kupfer wie bislang zur Weiterverarbeitung nach Asien zu exportieren.
Das ist kein neuer Trend: Auch afrikanische und südostasiatische Länder sind bestrebt, einen größeren Teil der Lieferketten abzudecken, ebenso wie Nordamerika und Europa. Goldfajn führt den Trend in Lateinamerika auf die Politik in Washington zurück: So habe US-Präsident Donald Trump eine klare Präferenz für die Gewinnung und Raffination innerhalb der westlichen Hemisphäre signalisiert.
"Richtiger Zeitpunkt, um Wertschöpfung zu steigern"
"Wir hören von Ländern aller politischen Richtungen, unabhängig von ihrer Ausrichtung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, die Wertschöpfung ihrer kritischen Mineralien zu steigern", sagte Goldfajn gegenüber der Financial Times. "Auf der anderen Seite sehe ich, dass die USA ebenfalls die gesamte Lieferkette hier in der Region anstreben." Trotz Differenzen mit den Regierungen mehrerer Länder zeigten die USA insgesamt ein großes Interesse an der Region.
Der IDB-Chef nennt ein konkretes Beispiel für die bisherige Rohstoffpolitik, die Regierungen zu beenden versuchen. So exportiert Argentinien 70 % seines Lithiums nach China. Dort werde es raffiniert, weiterverarbeitet – und anschließend "acht- bis neunmal teurer" zurückgeschickt.
Der Rohstoffreichtum des Kontinents ist groß: Rund 60 % der weltweiten Lithiumreserven lagern in Lateinamerika, ein Großteil davon in einer als Lithium-Dreieck bezeichneten Region innerhalb der Staaten Argentinien, Bolivien und Chile. Vor allem Chile und Peru sind zudem dafür verantwortlich, dass in der Region rund 46 % der globalen Kupferproduktion stattfinden.
Brasiliens Potenzial bei Seltenen Erden ist riesig
Brasilien könnte durch die Vorkommen an Seltenen Erden eine Schlüsselrolle bei der Überwindung der chinesischen Dominanz auf diesem Markt einnehmen. Das Land verfügt nach China über die zweitgrößten weltweiten Reserven an Seltenen Erden. Diese sind unerlässlich für die Herstellung von Hochleistungs-Permanentmagneten.
Doch der Weg an Pekings Dominanz vorbei wird steinig und lässt von Mexiko bis Argentinien genau dieselben Probleme erwarten, die auch europäische und nordamerikanische Produzenten bremsen. China nutzt seine Dominanz auf den Märkten für kritische Mineralien gerne zur Überproduktion und drückt dadurch die Preise. Dies erschwert es neuen Produzenten, den Markt überhaupt zu betreten.
Goldfajn nennt als Mittel zur Überwindung der Kostenlücke gegenüber Asien langfristige Offtake-Agreements. Diese ermöglichen der IDB die Vergabe von Krediten wie einem 100 Mio. USD schweren Darlehen für das Projekt Rincon von Rio Tinto in der Provinz Salta, wo Lithium in Batteriequalität abgebaut werden soll. Die Entwicklungsbank will in diesem Jahr Kredite im Volumen von 30 Mrd. USD ausreichen und damit deutlich mehr als im vergangenen Jahr, als Projekte im Umfang von 23 Mrd. USD finanziert wurden. Goldfajn zufolge liegt dies auch am Bereich der kritischen Mineralien.
Begehrte Offtake-Agreements sind rar
Doch Abnahmeverträge abzuschließen, fällt den Unternehmen nicht immer leicht. "Wir sprechen mit mehreren Entwicklungsbanken in verschiedenen Ländern wie Europa und Japan, und alle streben Abnahmeverträge an, aber es gibt noch keine etablierte Industrie", sagte Klaus Petersen, Landesmanager bei Viridis Mining and Minerals, im Sommer. Viridis Mining besitzt zusammen mit Meteoric Resources die Abbaurechte zur Exploration von ionischem Ton im Bundesstaat Minas Gerais. Zusammen mit Australian Ionic Rare Earths betreibt Viridis ein Projekt zum Bau einer Raffinerie.
Marcelo de Carvalho, Landesmanager bei Meteoric Resources, sieht die Betriebskosten im Vergleich zu China auf einem konkurrenzfähigen Niveau. Chancen sieht er in einem neuen Markt mit Rückverfolgbarkeit. Finanzierungsschwierigkeiten sieht er allerdings auch: Fakt ist, dass der Westen die Finanzierung dieser Projekte beschleunigen muss."

