Amerikas Weckruf zur Sicherung kritischer Rohstoffketten
Die Vereinigten Staaten stehen bei kritischen Mineralien zunehmend mit dem Rücken zur Wand. Eine Untersuchung des Stanford Gordian Knot Center for National Security Innovation zeigt, wie ein Zusammenspiel aus zersplitterter Politik, fehlgesteuerten Marktanreizen und Chinas langfristiger Industrieplanung die Rohstoffsicherheit der USA untergraben hat.
Seit China Ende 2024 den Export von Gallium, Germanium und weiteren strategischen Metallen in die USA untersagte, wurde die Abhängigkeit der westlichen Industrien sichtbar. Über 90 % der globalen Verarbeitungskapazitäten für kritische Mineralien liegen laut der Studie inzwischen in chinesischer Hand.
Fragmentierte Zuständigkeit verhindert strategische Steuerung
In Washington teilen sich mehr als 40 Behörden Verantwortung und Kompetenzen – oft mit widersprüchlichen Prioritäten. Nur vier von 62 als "kritisch" eingestuften Rohstoffen erscheinen auf allen offiziellen Listen. "Wir brauchen eine gemeinsame Karte und ein gemeinsames Spielbuch", sagte ein Beamter des Innenministeriums den Forschern.
Diese institutionelle Zersplitterung erschwert Investitionen und verhindert Planungssicherheit. Laut Stanford-Bericht dauere die Entwicklung eines Bergbauprojekts in den USA im Schnitt 29 Jahre – fast doppelt so lange wie in Kanada oder Australien. Doch selbst bei schnellerer Genehmigung bliebe das strukturelle Problem bestehen: Der Großteil des geförderten Erzes müsste weiterhin nach China zur Raffination exportiert werden.
Marktlogik gegen Sicherheitsinteressen
Private Investoren meiden den Sektor wegen langer Genehmigungsverfahren, hoher Kosten und der Gefahr staatlicher Preispolitik aus China. "Privates Kapital will damit nichts zu tun haben", zitieren die Autoren einen Fondsmanager.
Auch im Verteidigungssektor sind die Anreize falsch gesetzt. Das US-Verteidigungsministerium steht nur für rund 5 % der weltweiten Rohstoffnachfrage – zu wenig, um Märkte zu bewegen. Rüstungsunternehmen beschaffen daher günstig, selbst wenn Lieferketten über chinesische Zwischenverarbeiter führen. In einem Fall, den der Bericht nennt, verfolgte ein Rüstungsunternehmen seine Titanlieferkette 13 Stufen zurück – bis zu chinesischen Minen und Transportwegen. Wegen der dadurch entstandenen Verzögerungen wurde es bestraft und reduzierte seine Prüfprozesse künftig.
Chinas kontrolliert strategische Metallmärkte
Die Dominanz Pekings ist das Resultat jahrzehntelanger Industriepolitik. Seit den 1980er-Jahren investierte China Milliarden in den Aufbau vertikal integrierter Lieferketten, subventionierte Preise und kaufte westliche Wettbewerber auf.
Ein Beispiel ist die Insolvenz des europäischen Galliumherstellers Ingal Stade im Jahr 2016. Nach jahrelangem Preisdruck durch staatlich unterstützte chinesische Anbieter fiel der letzte nennenswerte Nicht-China-Produzent aus. Seitdem stammen nahezu 99 % des Galliums aus chinesischen Quellen – ein klassisches Beispiel strategischer Marktbeherrschung.
China kontrolliert laut dem Bericht rund 85 % der weltweiten Raffinationskapazitäten, darunter fast 90 % bei Seltenen Erden, 60 % bei Lithium und Kobalt sowie über 40 % bei Kupfer – Tendenz steigend. Ziel der Vereinigten Staaten muss deshalb "der Saudi-Arabien-Effekt" bei kritischen Mineralien sein, also der Diversifizierung der Wirtschaft weg von bestehenden China-Abhängigkeiten.
Wege aus der Abhängigkeit
Die Standford-Forscher fordern daher eine grundlegende Neuausrichtung. Erstens müsse die Regulierung vereinheitlicht und die strategische Steuerung gebündelt werden. Zweitens brauche die Industrie Schutzmechanismen gegen chinesische Preispolitik – etwa durch staatliche Abnahmegarantien, Lagerhaltung und steuerliche Anreize. Drittens sei eine enge Abstimmung mit Alliierten wie Australien, Kanada und Japan erforderlich, um alternative Verarbeitungskapazitäten aufzubauen.
Beispiele für erste Kurskorrekturen gibt es bereits: Das US-Verteidigungsministerium unterstützt etwa den Ausbau von Raffineriekapazitäten bei MP Materials (ISIN: US55336V1008), einem der wenigen US-Unternehmen mit Zugang zu Seltenen Erden. Doch die Forscher warnen, dass solche Einzelmaßnahmen nicht ausreichen. "Die Zeit ist nicht auf der Seite der Vereinigten Staaten", heißt es im Bericht. Ohne koordinierte Industriepolitik drohe die Abhängigkeit von China zementiert zu werden.

