LBMA-Chef Zoellner: Goldrallye geht weiter - London braucht eigenen Future
"Wir befinden uns in einer Situation, in der die Fiskalpolitik in sehr großen Ländern Anlass zur Sorge gibt. Die Staatsverschuldung ist explodiert", sagte Zoellner in einem Interview mit der Financial Times. "Zugleich erleben wir weltweit einen Wandel in der Wahrnehmung politischer Allianzen, der Handelspolitik sowie der Fiskal- und Geldpolitik. Und das könnte zu weiteren Preisbewegungen führen."
Laut Daten des World Gold Council (WGC) haben die Zentralbanken allein im vergangenen Jahr über 1.000 Tonnen Gold gekauft – der höchste Wert seit den 1970er Jahren. Angesichts wachsender Schuldenberge, Handelskonflikte und geopolitischer Spannungen dürfte diese Nachfrage hoch bleiben.
"Sicherheit wichtiger als Bequemlichkeit"
Vorwürfe, der Londoner Goldmarkt sei technologisch überholt, weist Zoellner zurück. Für den Markt seien Sicherheit und Vertrauen wichtiger als Bequemlichkeit. "Wenn man sich die technologischen Innovationen in anderen Märkten ansieht, könnte man zu dem Schluss kommen, dass der Goldmarkt hinterherhinkt. Und das mag bis zu einem gewissen Grad stimmen", sagte er. "Aber die Vorteile unserer Struktur überwiegen die vermeintlichen Nachteile."
Tatsächlich bleibt London mit täglich über 100 Milliarden US-Dollar gehandeltem Goldvolumen der wichtigste Handelsplatz für physisches Gold weltweit.
Innovationsprojekte wie das vom WGC und der Kanzlei Linklaters entwickelte Konzept der Pooled Gold Interests (PGI) will Zoellner dennoch nicht bremsen. Diese sollen physisches Eigentum wie bei zuteilungsgebundenem Gold bieten, aber einfacher übertragbar und handelbar sein – etwa als Sicherheiten im Derivatehandel.
Neuer Anlauf für einen Londoner Gold-Future
Gleichzeitig fordert Zoellner, den Londoner Markt um einen standardisierten Gold-Future zu erweitern – ähnlich dem erfolgreichen Kontrakt an der COMEX in New York. Ein solcher Future könnte mehr Transparenz und Preisorientierung in den außerbörslichen Handel bringen, so Zoellner. Die LBMA verfüge über die erforderlichen Marktdaten, da sie Informationen zu Termingeschäften ihrer Mitglieder sammle.
Frühere Anläufe waren allerdings gescheitert: Sowohl die London Metal Exchange (LME) 2017 als auch ein Versuch in den 1980er Jahren mussten wegen mangelnder Liquidität aufgegeben werden. Doch das aktuelle Umfeld sei anders, meint Zoellner – das Interesse an Gold sei so hoch wie seit Jahren nicht mehr.
Ein Londoner Future könnte zudem helfen, Preisdifferenzen zwischen London und New York zu verringern. In diesem Jahr kam es mehrfach zu deutlichen Spreads, als physisches Metall in den USA knapp war – ein Phänomen, das auch auf dem Kupfermarkt zu beobachten war.
"Ein funktionierender Future in London würde Marktteilnehmern zusätzliche Absicherungsmöglichkeiten bieten und die Preisbildung effizienter machen", sagt Zoellner. Das steigende Handelsvolumen am Goldmarkt spreche dafür, dass nun der richtige Zeitpunkt für einen neuen Anlauf gekommen sein könnte.
Fazit
Zoellner setzt auf Kontinuität mit Augenmaß: Innovation ja – aber nur dort, wo sie dem Markt echte Vorteile bringt. Der Fokus soll auf Stabilität, Vertrauen und Transparenz liegen. Mit seiner Forderung nach einem Londoner Gold-Future greift er eine alte Idee auf – die diesmal, dank des anhaltenden Anlegerinteresses und der wachsenden Marktgröße, bessere Erfolgschancen haben könnte.

