Goldpreis auf Rekordhoch: Es geht nicht (nur) um Inflation
Der Goldpreis hat in den letzten Wochen deutlich zugelegt. Ende Februar wurde die Marke von 2050 USD pro Feinunze (31,103 g) überschritten. Aktuell notiert das Edelmetall bei 2279,40 USD – ein neuer Rekord. Die Kursgewinne der vergangenen Tage führen Händler vor allem auf die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten zurück.
Krisenmetall Gold: Spannungen in Nahost treiben Goldpreis
Daniel Ghali, Rohstoffstratege bei TD Securities, nennt mehrere Gründe für den jüngsten Anstieg. "Wir sehen, dass eine gewisse Nachfrage nach sicheren Häfen in Gold fließt, was mit den israelischen Angriffen auf die iranische Botschaft in Syrien zusammenhängt". Aber auch Wiedereindeckungskäufe durch Family Offices und andere Transaktionen führten zu hoher Nachfrage.
Ole Hansen von der Saxo Bank sieht derzeit fast alle entscheidenden Gruppen auf der Longseite: Privatkunden und die Zentralbanken ebenso wie Spekulanten, die auf ein hohes Momentum infolge des Allzeithochs spekulieren.
Der unabhängige Analyst Ross Norman betont die Besonderheiten der jüngsten Rallye. Diese sei ungewöhnlich, da sie "trotz erheblicher traditioneller Gegenwinde stattfindet, da der US-Dollar steigt, die Renditen der Staatsanleihen steigen und die Wahrscheinlichkeit längerfristig höherer US-Zinsen zunimmt". So hatten in den letzten Tagen die Renditen am Bondmarkt wieder deutlich angezogen.
Der Charakter von Gold als sicherer Hafen steht bei Anlegern zunehmend im Vordergrund. Der Zusammenhang zwischen Goldpreis und den Zinsen scheint sich dagegen in den vergangenen Jahren ein Stück weit abgeschwächt zu haben. Anders wäre die Preisentwicklung des Edelmetalls vor dem Hintergrund der Zinsentwicklung seit 20121 kaum zu erklären. "In der Vergangenheit waren die Realzinsen der Haupttreiber, aber diese Beziehung zu Gold ist völlig zusammengebrochen", glaubt Giovanni Staunovo, Rohstoffstratege bei der UBS gar.
Goldpreis von 1970 bis 2023: 7,5 % pro Jahr
Ein Blick auf die Goldpreisentwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt Höhen und Tiefen. Das Interesse stieg 1971 sprunghaft an, als die USA offiziell die Bindung des US-Dollars an Gold zu einem festen Kurs von 35 US-Dollar pro Unze beendeten. Nach Angaben des World Gold Council stieg der Goldpreis in Dollar im Laufe der 1970er Jahre um mehr als das Zehnfache und damit stärker als die Verbraucherpreise, die sich im selben Zeitraum in etwa verdoppelten. In diesem Jahrzehnt übertraf Gold auch Aktien (Gesamtrendite inklusive Dividenden im S&P 500: 78 %).
in den 1980 auch in den 1990 er Jahren verlor Gold dagegen in einem Umfeld bullisher Aktienmärkte an Wert. Doch nach der Jahrtausendwende wurden die Karten neu gemischt. Während Gold in den Nullerjahren um 275 % zulegte, gab der S&P 500 durch Dotcom-Blase und Weltfinanzkrise nach.
Von 1970-2023 stieg der Goldpreis mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 7,5 %. Dieser Durchschnittswert profitiert stark von den hohen Zuwächsen den 1970er Jahren. Der S&P500 stieg im selben Zeitraum um jährlich 10,6 % – nach 1980 sogar um 11,7 %.
Dennoch: In den 1970er und in den 2000er Jahren lief Gold besser als Aktien. In den 2000er Jahren war es weniger die tatsächliche Inflation (gemessen an den Verbraucherpreisen), als vielmehr die Angst davor im Angesicht der beginnenden quantitativen Lockerung, die den Goldpreis steigen ließ.
Gold profitiert nicht nur von Inflationsängsten
Doch nicht nur Inflationsängste, sondern auch Befürchtungen anderer Art wirken bullish für das glänzende Edelmetall. Das erste Jahrzehnt dieses Jahrtausends musste Krieg, 9/11, die Weltfinanzkrise und eine wachsende politische Polarisierung verkraften. Nicht zuletzt deshalb kostete eine Feinunze Gold im September 2011 fast 1900 USD.
Auch im derzeitigen Umfeld gibt es viele Unsicherheiten. Der Ukrainekrieg, die potenziell in einen Konflikt um Taiwan eskalierenden Spannungen zwischen den USA und China, die Präsidentschaftswahlen im November: All dies sind Argumente für den Kauf von Gold.
Dies gilt auch aus Sicht von Zentralbanken, die in den letzten beiden Jahren mit jeweils über 1000 t Gold so viel gekauft haben wie seit den 1960er Jahren nicht mehr. Die Zentralbanken nutzen Gold als Alternative zum US-Dollar als Reservewährung sowie als Schutz gegen künftige Sanktionen infolge geopolitischer Konflikte.