Big Oil sitzt auf Big Cash – will aber die Produktion nicht hochfahren

Big Oil sitzt auf Big Cash – will aber die Produktion nicht hochfahren bigstockphoto

Laut einem Bericht des Wall Street Journal wiesen die sechs Ölunternehmen Eni, Total, Shell, BP, Chevron und Exxon zum Ende des ersten Quartals Cash und Cashäquivalente im Umfang von knapp 160 Mrd. USD aus. Zusammen mit Staatsbetrieben und kleineren Gesellschaften soll dieser Wert sogar die Marke von 200 Mrd. USD übersteigen.

Allein auf Chevron und Exxon entfallen demnach flüssige Mittel im Umfang von 48,3 Mrd. USD. Einen Cashbestand in dieser Größenordnung verzeichneten die beiden Unternehmen unter Präsident George W. Bush.

Die Ursache für den Liquiditätsregen sind die hohen Preise für Energierohstoffe. Diese Preise gehen dabei nicht nur auf den Kriegsausbruch in der Ukraine zurück, wie ein Blick auf den Kurs für WTI Öl zeigt. Der Kurs erreichte im April 2020 infolge der Pandemie einen Tiefpunkt und fiel unter die Marke von 15 USD.

"Gute Zeiten sind nicht von Dauer"

Daran schloss sich jedoch ein Aufwärtstrend an, der den Kurs bis wenige Tage vor Kriegsausbruch bis über die Marke von 90 USD trieb. Danach kam es zu einem ruckartigen Anstieg auf mehr als 120 USD pro Barrel. Seitdem sind die Ölpreise jedoch wieder deutlich gesunken: Aktuell wird ein Barrel WTI am Markt für gut 70 USD gehandelt.

Auch dieser Preisrückgang ist ein Grund dafür, dass Ölkonzerne nicht in eine Ausweitung der Produktion investieren. "Wir wissen, dass die guten Zeiten nicht von Dauer sind", sagte Chevron-Finanzvorstand Pierre Breber kürzlich gegenüber Analysten. Sein Unternehmen könne mit einem Drittel des heutigen Bilanzvolumens operieren.

Die Liquidität fließt deshalb nicht in Investitionen, sondern wird über Dividenden und Aktienrückkäufe an die Anteilseigner ausgezahlt.

Das WSJ zeichnet daraus unter Berufung auf Daten von FactSet ein größeres Bild. So hätten Chevron und Exxon bis Juni 2020 in mindestens 28 Quartalen in Folge mehr Geld in Kapitalausgaben investiert als in Zuwendungen an die Aktionäre.

Seitdem zeigt sich jedoch ein umgekehrtes und bis heute anhaltendes Muster. Die Unternehmen zahlten in den ersten drei Monaten dieses Jahres 14,8 Milliarden US-Dollar an Dividenden und Rückkäufen aus – und tätigten im selben Zeitraum 8,4 Milliarden US-Dollar an Kapitalinvestitionen.

Ölunternehmen investieren in Aktionäre statt in die Produktion

Bei anderen Unternehmen ergibt sich ein ganz ähnliches Bild. WSJ berichtet unter Berufung auf Evaluate Energy, dass ConocoPhillips und 48 kleinere börsennotierte Öl- und Gasunternehmen im vierten Quartal 2022 42 % der verwendeten Barmittel in Zuwendungen an die Aktionäre, aber nur 35 % in Investitionen gesteckt hätten.

Vor der Pandemie hatten Ölkonzerne in die die Erschließung von Rohölquellen in Regionen wie dem Perm-Becken in Texas und dem Bakken-Schiefer in North Dakota investiert. Das Interesse an solchen Investitionen ist deutlich zurückgegangen.

Dabei fordert die US-Regierung die Konzerne ausdrücklich zu einer Ausweitung der Produktion auf. So äußerte der stellvertretende Pressesprecher des Weißen Hauses, Abdullah Hasan kürzlich, "dass nichts die Ölkonzerne davon abhält, die Produktion zu steigern, außer ihrer eigenen Entscheidung, die Taschen wohlhabender Aktionäre aufzufüllen".

Der politische Druck hat aufgrund der zuletzt schwachen Ölpreisentwicklung etwas nachgelassen. Sollten die Ölpreise jedoch wieder in Richtung 100 USD und darüber hinaus ansteigen, dürfte insbesondere in Washington die Forderung nach mehr Produktion lauter werden.

Dort war im vergangenen November mit Entrüstung die Förderkürzung der OPEC+ um zwei Mio. Barrel zur Kenntnis genommen worden. Die Förderkürzung erfolgte vier Monate nach dem Besuch von US-Präsident Joe Biden in Riad, mit dem eigentlich eine Ausweitung der Förderung erreicht werden sollte.

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US-Regierung käme erneute Öl-Rallye ungelegen

Ein erneuter Anstieg der Ölpreise aufgrund eines knappen Angebots käme für die US-Regierung anderthalb Jahre vor den nächsten Präsidentschaftswahlen zur Unzeit. In einem solchen Szenario könnte die Inflation wieder anziehen und auch den Druck auf den Federal Reserve zu einer weiteren Straffung ihrer Geldpolitik erhöhen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Konjunktur im Wahljahr.

Die Konzerne könnten die hohen Cashbestände auf einen Schlag an ihre Anteilseigner ausschütten. Doch dies scheint nicht der Plan zu sein. Vielmehr geht es offensichtlich um eine Glättung und Stabilisierung der Erträge. Die für Energiepreisschwankungen stark anfällige Branche will damit die Gunst der Aktionäre gewinnen – schließlich muss die Branche aufgrund der Bestrebungen zur Abkehr von fossilen Brennstoffen in einem zunehmend unsicherem Umfeld operieren.

"Sie haben schon immer Dividenden gezahlt. Das ist ein Markenzeichen", kommentiert Rob Thummel, Geschäftsführer beim Energieinvestor Tortoise. Aktionäre schätzen stabile Erträge – und das Management wird zunehmend genau daran gemessen und dafür entlohnt, diese stabilen Erträge zu liefern.