Blasenpolitik als Krisenlöser – Goldlöckchens Rückkehr unter den 'Obamanomics'
Eurorettung als politisches Possentheater
Die Rettung des Euro und damit der Idee einer paneuropäischen Gemeinschaftswährung droht zum politischen Possentheater zu werden; gleichzeitig ist die von den Euro-Südländern seit längerem von der Europäischen Zentralbank (EZB) geforderte Lockerung der Geldpolitik nach dem 'erfolgreichen' Beispiel Japans , wo sie Kernstück der Abenomics genannten Wirtschaftspolitik des Premierministers Shinzo Abe ist, in der Herzkammer des Euro, bei der EZB und den institutionellen und politischen Fürsprechern des Euro, angekommen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Forderung nach Lockerung der Geldpolitik der EZB als gemeinsamer Zentralbank der Euro-Staaten unverrückbar auf der politischen Agenda steht. Welche Auswirkungen die Aufgabe der Stabilitätspolitik für die Eurozone mit sich bringt, zeigt nur allein das Beispiel Japans, sondern auch die unter den 'Obamanomics' aufgestellte US-Volkswirtschaft, in der anstelle echter Krisenlösung durch aggressive Geldpolitik neue ökonomische Blasen geschaffen werden und am Ende nur der Währungszerfall stehen kann.
Die derzeitige Entwicklung der US-Volkswirtschaft ruft Erinnerungen an die 'Goldilocks Economy' der 90er Jahre wach, in denen die Konjunktur analog dem Vorbild des im anglophonen Kulturraum populären Märchens von Goldlöckchen und den drei Bären nicht zu heiß und nicht zu kalt war und damit für eine allgemeine Prosperität sorgte. Ausufernde Notenbankpolitik als politische Allheillösung rückt derweil für die Eurozone in immer greifbarere Nähe, wie die jüngste Neubesetzung der Spitze der Bank of England zeigt.
In der VSP-Monatskonferenz Juni der "Finanzmärkte aktuell" geben wir ein Update zur Eurokrise und werfen einen näheren Blick auf die Volkswirtschaften der kriselnden Euro-Südländer, allen voran Italien, sowie auf die unter den 'Obamanomics' stehende US-Volkswirtschaft.
Die Eurokrise, die seit nunmehr gut sechs Jahren die Märkte bewegt, ist auf dem besten Wege, ein politisches Possentheater zu werden, in dem die herausragenden Akteure ihre Rollen nicht durchgängig stringent spielen, sondern je nach Situation und Interessenlage ihre Standorte wechseln und teilweise der ihnen zugedachten Rolle im Plot zuwider agieren. Das Szenario spitzt sich zu und das Schlussbild wird zusehends klarer: Aufgabe der geldpolitischen Stabilität des Euro zugunsten einer die Grundfesten der Gemeinschaftswährung erschütternden flexiblen, sprich: laxen Geldpolitik der EZB nach dem Vorbild Japans und der USA.
Für Griechenland, trotz erfolgtem Schuldenschnitt noch immer mit über 160% des Bruttoinlandsprodukts verschuldet, ist ein neuer Schuldschnitt unausweichlich. Wir sehen für das Land der Hellenen als einzigen Ausweg aus der never ending story einen massiven Schuldenschnitt auf 35% des BIP, der aber derzeit politisch nicht durchsetzbar ist, allein aber eine dauerhafte Sanierung brächte. Auch die für Portugal und Spanien beschlossenen, durch Finanzminister Wolfgang Schäuble initiierten bilateralen Kredithilfen über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die eine durchaus respektable Höhe von 5 Milliarden Euro besitzen, erscheinen als unzureichend, um die genannten Länder aus der Rezession zu führen, mögen aber die reale Kreditklemme für KMUs in den Ländern beheben.
Kritisch auch unser Blick auf Italien. "Italien gehört nicht in die Eurozone", so unser Credo mit Blick auf die weiter kontrahierende italienische Volkswirtschaft (- 4,6% gegenüber dem Vorjahr). Als Folge längst überfälliger Wettbewerbsanpassung der italienischen Volkswirtschaft, deren Notwendigkeit durch die Euro-Einführung weiter verstärkt wurde, zeichnet sich im Ergebnis eine massive Lücke der Industrieproduktion des Landes ab. Eine grundlegende Besserung ist auch hier nicht in Sicht – ganz im Gegenteil.
Unser Fazit für die Euro-Südländer ist hart: Die Eurozone schadet den Volkswirtschaften der Südländer und befördert deren Deindustrialisierung, da diese weder im EU-Binnenmarkt, noch auf den globalen Märkten konkurrenzfähig sind – ein Manko, das derzeit noch durch den gestiegenen Außenwert des Euro verschärft wird. Europa trennen industriell Welten, die sich voneinander immer weiter entfernen – uneinholbar, was wir zwar nicht aussprechen, aber insinuieren.
Im Gegensatz zu den erheblichen Divergenzen ihrer Volkswirtschaften überrascht das eng beieinander liegende Konsumenten-Sentiment in den Ländern der Eurozone, wie es der Economic Sentiment Indicator (ESI) des Directorate General for Economic and Financial Affairs jüngst erhoben hat (Stand 30. Mai 2013). Während Griechenlands Grundstimmung die zweitbeste Stimmungslage im Euroraum bezeichnet und durch den kommenden Alimentationsstatus des Landes gegenüber der Solidargemeinschaft der Euro-Mitgliedsstaaten erklärlich ist, liegt das Sentiment der deutschen Konsumenten überraschenderweise nur unwesentlich über dem der notleidenden Griechen.
Der Weg, den die Politik zur Lösung der Eurokrise beschreiten wird, deutet das Beispiel des EU-Mitgliedes Großbritannien an, das sich dem Euro bisher verweigert hat. Hier löst zum 1. Juli Mark Carney den Cambridge-Akademiker Sir Mervyn Allister King an der Spitze der Bank of England ab. Carney – derzeit noch Gouvernor der Bank of Canada und Vorsitzender des Financial Stability Board, einer G20-Institution – steht für das 'GDP Targeting' und die Absicht, bei der Bank of England nach dem Vorbild Kanadas und Japans Wirtschaftsstimulation und damit Steigerung des BIP im Sinne der Wealth Driven Economy durch Lockerung der staatlichen Geldpolitik umzusetzen.
Jüngste Äußerungen zur Währungsstabilität des Euro sind nicht minder aufschlussreich. So entlässt die EU-Kommission Italien wegen seiner tiefen Rezession aus dem schon seit Jahren laufenden Defizitverfahren und verzichtet so dauerhaft auf jedwede Sanktionsmöglichkeit. Damit gibt die EZB als Gralshüterin des Euro die Stabilitätskriterien für den Euro auf, für die sie institutionell steht und die die politische Ebene noch im letzten Herbst gegenüber den Euro-Südländern verschärfen wollte.
Bezeichnend und etwas skurril mutet auch das Agieren von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen an. Während Weidmann, qua Amt Mitglied im EZB-Rat, in der Tradition seines Amt das Credo der Währungsstabilität vertritt und gegen das von EZB-Präsident Draghi vergangenen Sommer begründete Outright Monetary Purchases-Programm eines unbeschränkten Ankaufs von Staatsanleihen kriselnder Mitgliedsstaaten vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe als Mandatsüberschreitung der EZB klagt, hält Asmussen das zwar mit Auflagen verbundene, im Vorhinein jedoch unbegrenzte Interventionsprogramm der EZB auf dem Staatsanleihemarkt für mandatskonform – und damit eine Aufweichung der Stabilitätskriterien des Euro für legitim.
Wie das gelockerte, erklärtermaßen an realwirtschaftlichen Zielen ausgerichtete geldpolitische Agieren einer Notenbank in einer großen Volkswirtschaften wirkt, zeigt sich beim näheren Blick auf die USA, die gewissermaßen die japanischen 'Abenomics' als 'Obamanomics' adaptiert haben, um ihre Misere zu lösen. Motor des moderaten, dezent stabilen Wachstums von 1,8% gegenüber dem Vorjahr bildet das massive Engagement der US-amerikanischen Zentralbank Fed unter Ben Benanke, die 2013 geschätzte 600 Milliarden Staatsanleihen aufkaufen wird.
Die Ergebnisse dieser massiven Aufschuldung fallen sichtbar bescheiden aus, blickt man auf die harten Fakten. Der Arbeitsmarkt ist weniger stabil als die Zahlen andeuten. 175.000 neu geschaffenen Stellen im Monat Mai steht ein aktuell benötigter Bedarf von 350.000 Stellen im Monat gegenüber, wenn man z. B. Immigrationsfolgen einrechnet. Die niedrige Arbeitslosigkeitsrate von 7,6% – Japan unter den 'Abenomics' hat mit 4,5% Vollbeschäftigung erreicht – verdankt sich wesentlich der historisch niedrigen participation rate, der Beschäftigungsquote der Haushalte. Sie belegt, dass viele potenzielle Arbeitskräfte nicht von der offiziellen Arbeitslosigkeitsstatistik erfasst sind; die Arbeitslosigkeitsdauer als wichtiger Parameter beträgt noch immer lange 37 Wochen. Anders als früher gelingt der US-Wirtschaft in der jüngsten, seit 2009 zu beobachtenden Rezessionsphase nicht mehr, bei Wiederanspringen des konjunkturellen Motors die eingetretenen Arbeitsplatzverluste wieder wettzumachen. Gründe sind in Restrukturierungsmaßnahmen vieler Unternehmen bis hin zu staatlichen Strukturreformen, oft einhergehend mit stärkerer Automatisierung der Prozesse, und einer zunehmenden Deindustrialisierung der US-Volkswirtschaft zu sehen. Nur noch alimentiertes volkswirtschaftliches Wachstum ist den USA möglich, nicht mehr reales, so könnte das Fazit lauten.
Das blutleere Wachstum, wie es auch realwirtschaftlich z. B. im Einkaufsmanagerindex des Verarbeitenden Gewerbes (ISM Manufacturing) und in der Zahl der in diesem Sektor Beschäftigten zu Tage tritt, ist teuer erkauft. In Fortsetzung der Wirtschaftspolitik seines Vorgängers Bush mit Stützung wichtiger Schlüsselindustrien wie der Luftfahrtindustrie und des öffentlichen Sektors hat Obama mit den 'Obamanomics' den Weg einer exzessiven, zusehends rascher wachsenden Überschuldung der Vereinigten Staaten fortgeschrieben, die inzwischen 108% des BIP und damit die Grenze der Schuldentragfähigkeit erreicht. Die Verschuldungshöhe der USA hat die zu Zeiten des 2. Weltkriegs fast erreicht; das Schuldenkarussell dreht sich inzwischen immer schneller, allen politischen Schaukämpfen um ein immer wieder notwendig werdendes erneutes Anpassen der Schuldenobergrenze, des sog. Debt Ceiling, zwischen Demokraten und Republikanern zum Trotz.
Die Fortschreibung des eingeschlagenen Kurses ist ohne die Finanzierung durch die Fed, sprich deren massiven Ankauf von Staatsanleihen im Wert von monatlich 45 Milliarden US-Dollar und hypothekenbesicherter Wertpapiere (Mortgage Backed Securities, MBS) im Wert von monatlich 40 Milliarden US-Dollar nicht möglich, die einen historisch niedrigen Zinsfuß – der niedrigste seit Gründung der USA im Jahre 1776! – garantiert. Erkauft wird die extensive Ausweitung des Papiergeldes teuer – um den Preis der Zersetzung des Geldwertes, die absehbar ist.
Das massiv in die Markt gespülte Liquidität hat in den USA mit Erfolg den Immobilienmarkt revitalisiert, auch die Baubranchen, und zugleich für das Entstehen einer neuen Immobilienblase gesorgt, damit aber ebenso, politisch gewollt, das Grundvertrauen in Immobilienbesitz als verlässlichen Realwert wiederhergestellt.
Die derzeit hohe Liquidität an den Kapitalmärkten sorgt in den USA neben einer aufkommenden Immobilienblase auch für die Hausse an den Börsen, an denen noch immer die Marktteilnehmer nicht voll investiert sind. Die Bewertungen der Unternehmen steigen bei gleichzeitig abflachenden Unternehmensgewinnen. Zwar sind die Händler einer jüngsten Umfrage von Thomson Reuters zufolge indifferent zwischen bullish und bearish eingestellt, doch lässt die hohe Liquidität mangels Anlagealternativen, gleichbleibenden Grundkonstanten im Markt sowie eines im Gegensatz zu Gold und Silber nicht diskreditierten Grundvertrauens keinen Zweifel: Die Aktienrally, die beim S&P Composite 500 bereits nominale Höchststände gesehen hat, wird sich noch weiter fortsetzen, der drohenden Blasenbildung und Gefahr von Rückschlagen zum Trotz.
Aufzeichnung der VSP-Onlinekonferenz vom 11. Juni 2013: