Kanada: Protestbewegung birgt Konfliktpotenzial für Bergbau-Projekte

Die Protestbewegung der kanadischen Ureinwohner "Idle no More" hat das Potenzial, gravierende Störungen bei der Entwicklung kanadischer Bergbau-Projekte zu verursachen. Die dezentrale Bewegung mit wenigen Führungsstrukturen hat sich im letzten Jahr mit Hilfe von sozialen Medien verbreitet. Die Protestaktionen blockieren Zufahrtsstraßen und Bahnlinien und organisieren Kundgebungen in den größeren Städten Kanada’s, wobei sie reichlich Zuspruch und Aufmerksamkeit erreichen. Gerade bei den Themen Rechte der Ureinwohner, sowie Umweltschutz und Beteiligung an der ökonomischen Entwicklung erhält die Protestbewegung starken Zuspruch.

Dabei stehen die Bergbau-Konzerne sowohl im Fokus der Bewegung, wenn es darum geht, alte, bereits bestehende Übereinkommen nach zu verhandeln, als auch, wenn es darum geht, mehr Einfluss auf die Realisierung der Projekte zu erhalten, gleichgültig ob sich die Projekte tatsächlich auf den Liegenschaften befinden, welche als Reservoirs ausgewiesen sind, oder nur im Einflussgebiet der Ureinwohner liegen.

Anfang dieses Monats hat die Bewegung den Zugang zu einer Gold-Kupfer-Mine von HudBay blockiert und eine Teilhaberschaft an diesem 790 Mio CAD $ Projekt verlangt, welches gerade erst in Produktion gegangen ist.

Kanada ist der weltweit größte Kali-Produzent, der zweitgrößte Produzent von Uran-Erzen und einer großen Zahl von weiteren Edel- und Industriemetallen. Zudem gibt es immer wieder Konflikte, aufgrund der Waldrodung und Umweltzerstörung bei der Ölgewinnung aus Ölsand und Schiefergestein. Auch wenn die Konflikte mit den Ureinwohner bislang relativ klein und überschaubar waren – viele Ureinwohner leben in den Gebieten nördlich der kanadischen Großstädte, welche besonders interessant für die Bergbau-Konzerne sind, da hier sowohl reiche Rohstoffvorkommen als auch eine hinreichende Infrastruktur vorhanden ist.

Die aktuelle Gesetzgebung verlangt von den Bergbau-Konzernen, dass sie im Laufe des Genehmigungsprozesses einer neuen Mine die Ureinwohner mit einbeziehen und ggf. eine Kompensation zahlen, falls das Projekt die Bedürfnisse der Ureinwohner verletzt. Diese Kompensation kann sowohl in einer Einmal-Zahlung liegen, als auch in einer Beteiligung der Ureinwohner an dem Projekt und/oder der bevorzugten Vergabe von Jobs an die betroffene "First Nation".

Die Bewegung "Idle no more" geht hier aber wesentlich offensiver und aggressiver vor, als es die Führer der Ureinwohner in der Vergangenheit getan haben. Mit einem neuen Selbstbewusstsein und der Unterstützung der Bevölkerung, sowie dem Druck der sozialen Medien haben die Ureinwohner gelernt, erst einmal "nein" zu sagen und sich in eine deutlich schlagkräftigere Verhandlungsposition zu begeben.

Durch die Bewegung wurden schon zahlreiche Projekte verzögert oder vorläufig gestoppt, wobei die Ureinwohner zusätzlich Unterstützung von Umwelt-Aktivisten erhalten. Durch die Vernetzung der einzelnen Kommunen der Ureinwohner über die sozialen Medien sind Verhandlungen für die Bergbau-Konzerne deutlich schwieriger geworden. Sie sitzen jetzt nicht mehr einem Stamm mit begrenzten, lokalen Interessen gegenüber, sondern einem Netzwerk, dass sich nicht scheut, auch ganze Projekte platzen zu lassen, beispielsweise und die Ausbreitung der Öl-Gewinnung aus Öl-Sand in der Provinz Alberta zu verhindern.

Es gibt jedoch auch einzelne Projekte, welche in erfolgreicher Kooperation mit der "First Nation" realisiert wurden und aus denen eine für beide Seiten vorteilhafte Kooperation zwischen den Bergbau-Konzernen und den Ureinwohnern entstanden ist.

So haben sich beispielsweise fünf Gruppen der Ureinwohner zusammengeschlossen, um einen Catering Service für die Musselwhite Goldmine von Goldcorp in Nord-Ontario zu gründen.

Während sich die Entwicklung von neuen Projekten für die Bergbau-Konzerne deutlich geändert hat, sehen die "First Nation" hier auch eine Chance, auf qualifizierte, dauerhafte und entsprechend fair bezahlte Arbeitsplätze.

Kanada gehört weiterhin zu den führenden Bergbau-Nationen und verfügt über erstklassige Liegenschaften. Zur Entwicklung dieser Projekte wird es aber zukünftig immer wichtiger, rechtzeitig die Interessenvertreter der lokalen "First Nation" mit ins Boot zu holen und Lösungen zu entwickeln, welche den Interessen aller beteiligten Seiten gerecht werden.

Ihr Manuel Giesen