Erdgaspreise in den USA ziehen deutlich an
Die Erdgaspreise in den USA haben zuletzt deutlich angezogen. Lag der Preis pro mmBTU gemessen am Dezember-Kontrakt an der CME am 17. Oktober zeitweise noch bei 3,60 USD, sind es aktuell 4,40 USD – ein Anstieg um 22 % in rund drei Wochen. Neben einer erwarteten Kältewelle in Teilen der USA sind dafür vor allem rekordverdächtige LNG-Exporte nach Europa und Asien ursächlich.
Starke US-LNG Exporte treiben Frachtraten nach oben
Die Exporte fließen vor allem in Richtung Europa und Asien. Europa versucht nach wie vor, den Bezug von Gaslieferungen aus Russland zu verringern und bald ganz einzustellen – und wurde durch Washington jüngst aufgefordert, diesen Prozess zu beschleunigen. Außerdem sind die Lagerbestände noch niedrig und müssen vor dem anstehenden Winter aufgefüllt werden – laut bestehenden Zielvorgaben auf 90 %. Am Mittwoch lag der Füllstand laut GIE AGSI bei knapp 83 %. Zumindest kurzfristig muss Europa also weiter LNG aus den USA kaufen, da nahezu keine Alternativen bestehen.
In Asien steigt die Nachfrage nicht zuletzt, weil die US-Regierung in Handelsgesprächen mit asiatischen Partnern auf neue Energiezusagen drängte.
Auch die Frachtraten spiegeln die aktuellen Entwicklungen auf dem Erdgasmarkt wider. Die Frachtraten für LNG-Tanker auf den Atlantikrouten stiegen innerhalb einer Woche um über 50 %. Reuters berichtet unter Berufung auf den Preisdatenanbieter Spark Commodities, dass der durchschnittliche Tagespreis für einen 174.000 Kubikmeter fassenden LNG-Tanker für eine Fahrt nach Europa in der letzten Oktoberwoche noch bei 39.750 USD gelegen habe, in dieser Woche aber auf 61.750 USD gestiegen sei.
Erdgas im Vergleich zu Erdöl sehr teuer
Interessant ist der Anstieg der Erdgaspreise vor allem im Hinblick auf die schwachen Ölpreise. So ist der Dezember-Kontrakt für WTI an der CME seit dem 17. Oktober um lediglich 5 % gestiegen. Die Crude Oil to Natural Gas Price Ratio, den WTI Ölpreis durch den Henry Hub Erdgaspreis dividiert, liegt aktuell bei 13,5 nach über 60 vor einem Jahr.
Sollte diese Entwicklung anhalten, wäre eine Verschiebung der Profitabilität im Energiesektor die Folge. Insbesondere Unternehmen mit großen LNG-Kapazitäten dürften profitieren, darunter etwa Cheniere Energy. Auch auf Erdgas fokussierte Produzenten wie EQT und Chesapeake Energy dürften zu den Gewinnern gehören. Ölkonzerne wie Chevron und Exxon müssten jedoch trotz der Gasanteile im Portfolio mit einer insgesamt unterdurchschnittlichen Performance rechnen.
Das LNG-Angebot in den USA erhöht sich derzeit deutlich. Beispiele: Venture Globals zweite Verflüssigungsanlage nimmt den Betrieb auf, Chenieres Anlage in Corpus Christi baut ihre Kapazitäten aus.
Nordamerikanische LNG-Exportkapazität wächst stark
Die US-Energieinformationsbehörde (EIA) prognostiziert, dass die LNG-Exportkapazität in Nordamerika von 11,4 Mrd. Kubikfuß pro Tag (Bcf/d) Anfang 2024 auf 28,7 Mrd. Kubikfuß pro Tag im Jahr 2029 steigen wird, sofern die derzeit im Bau befindlichen Projekte planmäßig in Betrieb gehen. Exporteure in Kanada und Mexiko haben angekündigt, ihre Kapazität im gleichen Zeitraum um 2,5 Mrd. Kubikfuß pro Tag (Bcf/d) bzw. 0,6 Mrd. Kubikfuß pro Tag (Bcf/d) zu erhöhen. Laut IEA entfallen damit mehr als 50 % der globalen LNG-Kapazitätserweiterungen auf Nordamerika.
Während die Kapazitätserweiterungen den Gaspreis in den USA tendenziell nach oben treiben, drohen weltweit gesehen Überkapazitäten. "Wir gehen davon aus, dass die europäischen Erdgaspreise bis 2026 und insbesondere bis 2027 tendenziell sinken werden. Die Inbetriebnahme signifikanter LNG-Exportkapazitäten dürfte dafür sorgen, dass der Markt zunehmend gut versorgt wird", notierte Warren Patterson von ING Anfang des Monats.
Dies sei ein längerfristiger Trend: "Der Ausbau der zusätzlichen LNG-Exportkapazitäten sollte es der EU auch ermöglichen, ihren Plan zum schrittweisen Ausstieg aus russischem Gas umzusetzen, ohne dabei einen signifikanten Aufwärtsdruck auf die Preise auszuüben."
Die Erdgaspreise am europäischen Knotenpunkt TTF sinken seit Juni. Eine MWh kostet aktuell knapp 32 EUR. Damit liegen die europäischen Preise allerdings weiterhin deutlich unter dem europäischen Niveau.

