Chinas Preisdumping: In jedem neuen Elektroauto stecken nur 200 USD für Lithium

Westliche Staaten bemühen sich um den Aufbau einer geopolitisch sicheren Lieferkette für Batteriemetalle. Doch Chinas Marktdominanz lässt sich nicht leicht brechen: Bereits 2026 wird die Volksrepublik Australien als weltweit größten Bergbauproduzenten des Batteriemetalls Lithium überholen. Dies schätzt der Branchendienst Fastmarkets. Australien hatte 2017 dem damaligen Spitzenreiter Chile den Rang abgelaufen.
"China verfolgt eine sehr klare Strategie zur Entwicklung seiner Bodenschätze", sagte Paul Lusty, Leiter der Batterierohstoffforschung des Beratungsunternehmens, gegenüber Reuters am Rande der Fastmarkets Lithium and Battery Raw Materials Conference in Las Vegas.
2026 werden chinesische Bergbauunternehmen den neuesten Prognosen zufolge voraussichtlich 8.000 bis 10.000 Tonnen Lithium mehr fördern als Unternehmen in Down Under, die ihre Produktion aufgrund des Preisverfalls vielfach eingeschränkt und die Erweiterung der Kapazitäten aufgeschoben haben.
China bleibt langfristig der größte Lithiumproduzent
Auch langfristig dürfte China die Nase vorn haben: Bis 2035 werden chinesische Bergbauunternehmen der Prognose zufolge voraussichtlich 900.000 Tonnen Lithium fördern, verglichen mit 680.000 Tonnen in Australien, 435.000 Tonnen in Chile und 380.000 Tonnen in Argentinien.
Ein Großteil der Produktion entfällt auf den Abbau eines Hartgesteinserzes namens Lepidolith, das im Süden des Landes in großen Mengen vorkommt. Anders als westliche Unternehmen fuhren Chinas Lithiumproduzenten ihre Produktion trotz des Preisverfalls nicht zurück. Druck der lokalen Gemeinden im Hinblick auf Arbeitsplätze und Unterstützung durch die Regierung zementierten die Überproduktion, die für die niedrigen Preise verantwortlich ist – und westliche Produzenten ganz im Sinne Pekings aus dem Spiel hält.
Die Lithiumpreise sind seit ihrem Höchststand Ende 2022 um fast 90 % eingebrochen. Neben der chinesischen Überproduktion spielt auch die schwächer als erwartet ausfallende Nachfrage nach E-Autos eine Rolle beim Preisverfall.
Doch China dominiert den Lithiummarkt nicht nur im Bergbau: Auch rund 70 % der weltweiten Raffineriekapazitäten entfallen auf das Land. Fastmarkets registriert hier durchaus Bemühungen anderer Länder um den Aufbau eigener Raffinerien, sieht den chinesischen Marktanteil bis 2035 allerdings nur auf etwa 60 % schrumpfen.
Keine Erholung des Lithiummarktes in Sicht
Wie gravierend die Krise nicht-chinesischer Lithiumproduzenten angesichts der ausbleibenden Preiserholung ist, zeigt ein Blick nach Chile: Der weltweit zweitgrößte Lithium-Bergbaukonzern SQM beginnt in diesen Tagen ein Stellenabbauprogramm, das 5 % der Belegschaft betrifft. Das Unternehmen hatte die Gewinnprognosen für das erste Quartal verfehlt.
Eine weitere Zahl: Der Wert der in Elektrofahrzeugen (einschließlich Plug-in- und konventionellen Hybriden) verbauten Lithiumtonnen, die von Januar bis Mai weltweit verkauft wurden, belief sich auf insgesamt 2,15 Milliarden USD und lag damit erstmals unter dem Wert des verbauten Nickels – und dies trotz der schwachen Nickelpreise und der zunehmenden Substitution von Nickel durch andere Batterien etwa auf Basis von Lithium-Eisenphosphat.
Zum Vergleich: Im Dezember 2022 lag der Wert der in Elektrofahrzeugen verbauten Lithiumtonnen bei 3,2 Mrd. USD – und dies bei weitaus geringeren Stückzahlen und einem größeren Anteil an Hybridfahrzeugen mit kleinerer Batterie und weniger enthaltenem Lithium. Auf ein einzelnes Fahrzeug heruntergerechnet wurden im Dezember 2022 noch 1.900 USD für Lithium ausgegeben, in diesem Jahr nur gut 200 USD.
Angesichts dieser Entwicklung dürfte es schwer werden, westliche Produzenten unter Weltmarktbedingungen zu großen Investitionen in Lithiumprojekte zu bewegen. Derzeit kostet eine Tonne Lithiumcarbonat 8.450 USD: In vielen Machbarkeitsstudien westlicher Projekte wurden dreimal so hohe Preise als Kalkulationsgrundlage angesetzt.