Gold und ein neues Steuersystem in Indien - Konfusion um Steuersätze verunsichert Händler

Gold und ein neues Steuersystem in Indien - Konfusion um Steuersätze verunsichert Händler Olivier Le Moal - Fotolia

Der Autor und Rohstoffexperte Jayant Bhandari berät internationale Investoren in Sachen Bodenschätze und verschafft sich einen weltweiten Überblick über die Situation der Bergbauunternehmen. Aktuell stellt sich die Situation für den Edelmetallhandel in Indien recht kompliziert dar. Der Grund: Neuerungen im Steuersystem.

Seit dem ersten April des Jahres hat die Finanzverwaltung in Indien die Erhebung indirekter Steuern reformiert. Diese Änderungen hatten chaotische Auswirkungen: Firmen und Geschäfte wurden geschlossen, da weder ersichtlich war, welche Steuersätze für sie gelten, noch wer so schnell die Steuerformalitäten nach den geänderten Regeln übernehmen sollte. Das Logistikwesen ist besonders betroffen: Etwa die Hälfte der Transportfahrzeuge sind derzeit abgestellt. Die Medien haben allerdings über diese Ereignisse nicht berichtet.

Die neue indirekte Steuer greift im Grunde wie eine normale Mehrwertsteuer. Das indische System ist jedoch chaotisch: Bürokratie, komplizierte Regelungen und viele Steuerschlupflöcher machen es insgesamt schwer verständlich; wer sich allerdings nicht an die neuen Regeln hält oder Fehler macht, riskiert eine Freiheitsstrafe.

Es gibt etwa sieben unterschiedliche Steuersätze. Diese Sätze unterscheiden sich nicht nur bezüglich der Produktklassen, sondern auch bezogen auf die Preise der Produkte. Bhandari illustriert das an einem anschaulichen Beispiel: Für ein Paar Schuhe, das weniger als 500 Rupien kostet, gilt ein Mehrwertsteuersatz von 5%, bei einem höheren Preis aber einer von 18 %. Im Endeffekt bedeutet das, dass es für den Händler günstiger wäre, Schuhe einzeln zu verkaufen. Eine absurde Situation.

In der Praxis hat das paradoxe Folgen: Wenn sie aus irgendeinem Grund der Preis einer Ware auch nur geringfügig um die Preisgrenzen herum ändert, kostet das identische Produkt den Kunden aufgrund der Besteuerung plötzlich effektiv sehr viel mehr. Überträgt man diese Situation nun auf die industrielle Nachfrage- und Versorgungssituation und den Handel, ist leicht vorstellbar, dass die Marktsituation bis zur Unberechenbarkeit hin verkompliziert und die Unabwägbarkeiten für die Konzerne nicht mehr handelbar sind.

Die indirekten Steuern für Edelmetalle liegen derzeit bei etwa 14%, ein leichter Anstieg um einen Prozentpunkt. Auf den Kunden kommen außerdem die Kosten für die Versicherung, Importaufschläge und Aufschläge für den Einzelhändler hinzu. Werden diese zusätzlichen Kosten mit etwa 6% Zuschlag auf den Grundpreis veranschlagt, läge der finale Verkaufspreis für Gold oder Silber derzeit bei etwa 120% des internationalen Preises. Der Goldpreis liegt aktuell bei 110% , der Silberpreis bei 112% des weltweiten Preises. Wenn nun jemand in Indien, konform mit den neuen Regeln, importieren und verkaufen möchte, würde er, je nach Transaktion, zwischen 5 und 10% seines Umsatzes verlieren.

Aus offiziellen Statistiken erfährt man wenig, aber auf nationaler Ebene hat Indien seinen Goldverbrauch erhöht. Wer die Möglichkeit habe, so Bhandari, versuche derzeit, sein Gold außer Landes zu schaffen, zum Beispiel durch den Ankauf von Immobilien außerhalb von Indien. Viele Führungskräfte von öffentlich gelisteten Unternehmen sind bereits offiziell in Singapur, Hongkong oder Dubai gemeldet. Etwa 30% der Bevölkerung in den Vereinigten Arabischen Emiraten stammten aus Indien.

Bhandari merkt an, dass viele Inder auswanderungswillig seien und lieber innerhalb der Gesetzgebung der europäischen Union leben würden. Ironischerweise seien dies gerade jene, die nicht auswandern können und sich darüber echauffierten, dass die Kolonisation von Drittweltländern durch europäische Institutionen verwerflich sei. Ohne britische Organisation, so glaubt Bhandari, sei Indien allerdings auf dem direkten Weg Chaos, Desintegration und humanitäre Krisen. Er kündigt an, genau über dieses Thema auf dem nächsten Capitalism & MoralitySeminar zu referieren, das am 29. Juli in Vancouver stattfindet.