Kolumne von Thomas Rausch

Wer diesen alten Trick kennt, wird an der Börse erfolgreich sein

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

an den Finanzmärkten geht es längst nicht mehr um wirtschaftliche Fundamentaldaten. Selbst der Brexit hat den Aktienmarkt nur kurzzeitig negativ beeinflusst. Das Hauptmotiv an den Finanzmärkten ist, mit extrem billigen Geld, das die Notenbanken in ihren 666 geldpolitischen Lockerungen seit dem Lehman-Crash aus dem Nichts geschaffen haben, Assets zu kaufen und auf die gestiegenen Assetpreise neue Kredite zu erhalten, um neue Assets zu kaufen. Mit anderen Worten: Was wir gerade erleben ist das gewaltigste Ponzi-Spiel oder Schneeballsystem der Menschheitsgeschichte, und zwar gemessen sowohl an der Anzahl der Spieler als auch an der Gesamthöhe des Spieleinsatzes. Und das nicht nur an den Aktien-, sondern auch an den Bondmärkten.

So funktioniert das größte Ponzi-Spiel aller Zeiten

Die Funktionsweise dieses Ponzi-Spiels hat der US-Ökonom Hyman Minsky in seinem nach ihm benannten Minsky-Modell erklärt, das unter Bankökonomen weithin Beachtung gefunden hat.

Minskykurve

  1. Am Beginn eines Kreditzyklus zahlen Kreditnehmer, etwa Immobilienkäufer oder solide Unternehmen mit Eigenkapitalanteil als Sicherheiten sowohl Zinsen als auch Raten ab. Es handelt sich noch um besicherte bzw. gehedge Kreditfinanzierungen. Je mehr Menschen bzw. Unternehmen solche Kredite aufnehmen, desto besser läuft die Wirtschaft und desto höher auch die Gewinne in der Finanzbranche. Die Risiken, dass plötzlich Kredite ausfallen, sinken aus der Sicht der Kreditgeber. Ausgelöst wird dieser Kreditzyklus vor allem durch zuvorige Zinssenkungen der Notenbanken.
  2. Am Ende dieser Startphase werden dann zunehmend auch spekulative Kredite vergeben, bei denen die Kreditnehmer nur die Zinsen zurückzahlen, nicht aber die Raten. Man spekuliert darauf, dass im allgemein positiven Umfeld die Raten bzw. der gesamte Kredite irgendwann später schnell zurückgezahlt werden können. Vor allem Banken finanzieren sich auf die Weise gegenseitig.
  3. Je mehr Geld durch die Kreditvergabe der Banken aus dem Nichts erzeugt wird, desto höher scheint der Wohlstand zu sein, desto höher die Renditen an den Finanzmärkten und desto geringer erscheinen die Risiken. In dieser Phase werden vermehrt Ponzi-Kredite vergeben, bei denen die Kreditnehmer weder Zinsen noch Raten zahlen. Sie spekulieren darauf, dass sie mit dem Ponzi-Kredit Projekte finanzieren – zum Beispiel hochriskante Wetten an den Finanzmärkten – , die sie schon bald mit großem Gewinn verkaufen können, so dass sie den Kredit mit Zinsen auf einen Schlag zurückzahlen können.
  4. Irgendwann aber kommt der Moment, in dem der Markt entdeckt, dass die gestiegenen Preise in der Realwirtschaft und vor allem auch im Finanzsektor kein Zeichen von Wohlstand sind und nicht auf der Investition von zuvor erspartem Kapital beruhen, sondern lediglich auf Schulden bzw. auf Geld, das mit Hilfe der Notenbanken aus dem Nichts geschaffen wurde. Es tritt der sog. Minsky-Moment ein, das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer nimmt plötzlich ab, Kredite platzen in einem Domino-Effekt und die Scheinblüte fällt in sich zusammen.

Ponzi-Spiele enden immer mit einem Crash

Schauen wir uns noch einmal die Logik von Ponzi-Krediten näher an. Stellen Sie sich vor, der Trickbetrüger Charles Ponzi, nach dem das Spiel benannt wurde, kommt auf Sie zu und erklärt Ihnen, dass auch Sie überdurchschnittlich stark vom gegenwärtigen Boom profitieren können. Er verspricht Ihnen eine Rendite von 10 Prozent pro Monat(!) aufgrund eines todsicheren Systems. Sie müssen ihm nur 10.000 Euro überlassen und werden in kurzer Zeit reich. Das System von Herrn Ponzi bestand tatsächlich darin, dass er seinen Kunden am Monatsende die versprochene Rendite auszahlte. Sein Trick bestand darin, dass er das Geld, das er Herrn A versprochen hatte, von Frau B und Herrn C nahm, von denen es auf dies selbe Weise erschlich. Und um Frau B und Herrn C auszuzahlen, muss er insgesamt vier weitere Menschen von seiner Methode überzeugen. Und so weiter…

Sie sehen, um eine Ponzi-Spiel aufrecht zu erhalten, muss immer mehr Geld in das System fließen. Wehe, immer mehr Menschen wollen ihre Gewinne realisieren und entziehen dem Spiel ihr Geld. Dann bricht es zusammen, Herr Ponzi landet im Gefängnis und die Letzen, die ihr Geld eingezahlt haben, bleiben auf ihren Verlusten sitzen.

Ponzischema

Quelle: www.visualcapitalist.com

Die Notenbanken verlängern das Ponzi-Spiel künstlich

Als das Fed im Dezember den Leitzins anhob, verteuerte sie US$-Kredite und beendete so manches Ponzi-Spiel in der Finanzbranche, vor allem da, wo sie auf billigen US$-Krediten basierten wie etwa in den Schwellenländern. Dass es bisher nicht zu einem größeren Kollaps gekommen ist, liegt daran, dass die anderen Notenbanken, vor allem die EZB, die Bank of Japan und auch die Bank of England, massiv intervenieren, so dass den Ponzi-Spielen durch neue Kanäle wieder neues Geld zufließt.

Theoretisch können die Notenbanken unendlich viel Geld per Knopfdruck aus dem Nichts schaffen, um das Ponzi-Spiel am Leben zu erhalten. Doch in der Praxis werden sich die Marktteilnehmer irgendwann fragen, welchen realen Wert die Assets die sie kaufen eigentlich haben, wenn die Geldmenge beliebig ausgeweitet werden kann. Welchen realen Wert hat die Dividende eines Unternehmens, wenn sie letztlich direkt oder indirekt über Kredite finanziert wird? Welchen realen Wert hat der Kursgewinn einer Aktie, wenn er durch kreditfinanzierte Aktienrückkaufprogramme finanziert wird. Ähnliches gilt auch für Unternehmens- und Staatsanleihen.

Soll man das Spiel noch mitspielen und hoffen, dass man nicht zu den Letzten gehört wird, den die Hunde beißen, wenn es einmal in sich zusammen fällt? Aktienfonds, die jetzt im großen Stil aussteigt, würden anderen Mitspielern die Chance auf höhere Renditen überlassen und damit den Wettbewerb um die Kunden verlieren. Tatsächlich warnen immer mehr berühmte Fondsmanager, Investoren und Banker vor dem Ende des Ponzi-Spiels und ziehen ihre Gelder ab bzw. setzen auf fallende Kurse. Aber noch steigen die Aktien. Warum? Weil Notenbanken wie die schweizerische SNB oder die Bank of Japan, sowie staatliche Pensionsfonds wie etwa in Japan und China Aktien im großen Stil kaufen. Es wird sogar diskutiert, ob auch die EZB in den Aktienmarkt einsteigen soll.

Alle diese Maßnahmen dienen lediglich dazu, das Ponzi-Spiel aufrechtzuerhalten. Längst aber ist es soweit fortgeschritten, dass die Notenbanken das Vertrauen der Bürger verspielen. Um zukünftig Bank-runs zu verhindern, werden die Beträge, die von Konten abgehoben werden können, durch den Gesetzgeber gedeckelt und das Bargeldverbot schrittweise durchgesetzt. So bleibt ein Teil des Geldes per gesetzlichen Zwang im Ponzi-Spiel. Die Bürger verlieren im Namen der Systemstabilität schrittweise ihr kostbarstes Gut, ihre Freiheit.

Die Notenbanken haben längst die Kontrolle verloren

Doch im Moment scheint man den Notenbanken noch zu vertrauen. Die wissen bestimmt schon, was sie da machen.

Wissen sie das wirklich?

Der Bankier Jacob Rothschild erklärte jüngst: "Wir haben in den vergangenen sechs Monaten die Fortsetzung dessen gesehen, was sicherlich das größte Experiment in der Geschichte der Geldpolitik ist. Wir befinden uns in unbekannten Gewässern. Es ist unmöglich vorauszusehen, welche unbeabsichtigten Folgen die sehr niedrigen Zinsen (30 Prozent der Staatsanleihen weltweit rentieren im negativen Bereich) haben werden."

Schon jetzt kann man als Zwischenergebnis dieses Experiments festhalten: Die Notenbanken können die Kreditvergabe an die Wirtschaft über die Steuerung des Leitzinses nur eindämmen. Das hat Paul Volcker als Chef der amerikanischen Notenbank in den 1980er Jahren gezeigt, als er im Kampf gegen die galoppierende Preisinflation (bis zu 15 Prozent) den Leitzins auf über 20 Prozent erhöhte und damit die Geldvermehrung der Banken, die über Kreditvergaben erfolgte, beendete.

Aber umgekehrt können die Notenbanken die Kreditvergabe der Banken und damit ihre Inflationsziele durch geldpolitische Lockerungen nicht erzwingen. Trotz beispielloser Interventionen der Bank of Japan und der EZB liegen die Preisinflationsraten bei – 0,19 bzw. 0,1 Prozent. Nur Kreditvergaben der Banken an die Realwirtschaft bzw. Investitionen, die zu einer höheren Beschäftigungszahl und steigenden Löhnen führen, heizen die Preisinflation an.

Quelle: statista.de

Die Banken dürfen aber wegen der gestiegenen Ansprüche der Regulierer nicht mehr Kredite vergeben, oder sie wollen es nicht, weil sie keine zusätzlichen Risiken in ihre Bilanzen nehmen wollen. Gleichzeitig ist die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft schwach, weil die Zukunftsaussichten – auch dank der Geldpolitik der Notenbanken – besonders unklar sind, viele Unternehmen noch immer zu stark verschuldet und die Arbeitslosenquoten und Staatsschulden in vielen Ländern sehr hoch sind. Das bedeute, dass sich die Notenbanken Inflationsziele setzen, die sie gar nicht erzwingen und damit nicht steuern können.

Schlimmer noch: Nicht nur der Steuermechanismus ist untauglich, auch das Navigationssystem ist es. Was sagt eine durchschnittlich niedrige Preisinflation bei den Gütern eines fiktiven Warenkorbs über die Geldwertstabilität aus, wenn gleichzeitig die Preise für Vermögenswerte wie zum Beispiel Aktien, Anleihen und Immobilien, die in dem Warenkorb nicht berücksichtigt werden, gefährliche Spekulationsblasen bilden?

Der Kaiser ist nackt! Und je länger das amerikanische Fed, die wichtigste Notenbank der Welt, laviert und die Zinsen nicht weiter erhöht, desto deutlich wird ihre Machtlosigkeit. Sollte sie aber die Zinsen senken und QE5 abschießen, wäre ihre Glaubhaftigkeit ebenfalls ramponiert.

Mit anderen Worten: Ich glaube, die Interventionen der Notenbanken haben nicht nur immer weniger "positive" Wirkung auf die Realwirtschaft, sondern sie unterminieren auch das Vertrauen der Investoren im Finanzsektor in die Werthaltigkeit der Assets, die sie mit scheinbar unbegrenzten Geldmengen erwerben können und für die de facto im Falle eines Crashs trotz des Vollkaskoversprechens der Staaten und Notenbanken niemand – auch nicht die kommenden Generationen – haften können.

Fazit

Die Goldhausse steckt noch in den Kinderschuhen

Es ist kein Zufall, dass der Goldpreis in US$ gerechnet seit Jahresbeginn um ca. 25 Prozent zugelegt hat und dass die Mittelzuflüsse für Gold-ETFs, Münzen und Barren neue Rekordmarken erreicht haben.



Quelle: World Gold Council

Gold als letzter sicherer Hafen wird gerade erst entdeckt und hat noch eine glänzende Zukunft vor sich. Mich würde es nicht wundern, wenn wir gegen Ende des Jahres die Marke bei ca. US$1.500 erreichen, nachdem die aktuelle Konsolidierung kurzfristig abgeschlossen sein wird.