Kolumne von Florian Grummes

Gold – noch einmal Luft holen?

Gold in US-Dollar

Rückblick:

Die letzten Wochen waren natürlich vor allem von der überraschenden Brexit-Entscheidung geprägt. Ausgehend von 1.250 USD schoss der Goldpreis am 24.Juni bereits in den frühen Morgenstunden um knapp 110 USD nach oben und erreichte mit 1.357 USD den höchsten Stand seit Januar 2014. Im Anschluss folgte eine kurze zweitägige Konsolidierung oberhalb von 1.307 USD, bevor die Bullen erneut aufs Gas drückten und in der letzten Woche ein neues Verlaufshoch bei 1.375 USD erzwangen. Trotz dem zwischenzeitlich volatilem Hin- und Her kann der Goldpreis das hohe Niveau aktuell mehr oder weniger halten.

Gold in USD Monatschart:

Auf dem logarithmischen Monatschart ist der Goldpreis doch ziemlich eindeutig auf dem Weg in Richtung der großen und mittelfristig entscheidenden Widerstandszone um 1.500 – 1.530 USD. Spätestens hier wird es einen größeren Rücksetzer geben, welcher mit hoher Wahrscheinlichkeit nochmals Kurse im Bereich 1.260 – 1.330 USD mit sich bringen sollte. Das aber ist Zukunftsmusik, denn auf dem Weg nach oben wartet zunächst bei ca. 1.415 USD noch eine letzte Abwärtstrendlinie. Da sich der Goldpreis seit über zwei Monaten am oberen Bollinger Band (1.351 USD) weiter nach oben hangelt, sind kurz- und mittelfristig weiter steigende Kurse das wahrscheinlichste Szenario. Die nächste Widerstandszone bilden die beiden Hochs vom August 2013 und Januar 2014 zwischen 1.390 USD und 1.430 USD.

Die Indikatoren unterstreichen die bullische Ausgangslage. Das MACD-Kaufsignal entfaltet zunehmend seine Wirkung, während die beiden Signallinien der Stochastik bereits den zweiten Monaten oberhalb von 80 verlaufen und damit kurz vor dem trendverstärkenden "embedded Status" stehen. Der RSI meldet darüberhinaus noch keine Extremwerte, sondern hat noch Luft nach oben. Sehr vieles spricht mittlerweile also für einen neuen Gold-Bullenmarkt. Allerdings bringt erst ein Monatsschlusskurs oberhalb von 1.550 USD weiter Klarheit. Die endgültige Bestätigung wäre ein Anstieg über das Allzeithoch bei 1.920 USD. Davon sind wir immer noch weit entfernt. Auf Sicht der nächsten Monate ist das Bild also relativ eindeutig, dennoch kann es sich bei der laufenden fulminanten Erholung auch lediglich um eine Bärenmarktrally handeln – das sollten wir im Hinterkopf behalten.

In der Summe wechselt der Monatschart jedenfalls auf "bullisch" und hat das mittelfristige Kursziel um 1.500 USD fest im Visier. Erst unterhalb von 1.200 USD kippt die positive Ausgangslage zugunsten der Bären.

Gold in USD Wochenchart:

Auch der logarithmische Wochenchart liefert derzeit fast nur bullische Schlussfolgerungen. Auch hier ist das Kursziel 1.500 – 1.530 USD eindeutig ablesbar. Nachdem in den letzten Wochen der Abwärtstrendkanal endgültig überwunden werden konnte, ging es konsequent und zügig weiter nach oben. Dabei biegen die Bullen aktuell das obere Bollinger Band (1.362 USD) weiter auf.

Einem direkten Anstieg stellt sich derzeit eigentlich nur die überkaufte Stochastik in den Weg. Hier benötigt es noch eine weitere Woche bevor der Oszillator in den trendverstärkenden "embedded" Status wechselt. Gelingt dies nicht, stehen wir vor einem Rücksetzer. Der MACD hingegen hat sein Kaufsignal inzwischen klar verteidigt und läuft weiter nach oben. Der RSI notiert noch knapp unterhalb der überkauften Zone.

Zusammengefasst muss auch der Wochenchart mit "bullisch" bewertet werden. Das nächste Kursziel liegt im Bereich um 1.415 USD. Unter von 1.225 USD sollte der Goldpreis jetzt aber nicht mehr fallen, sonst wechselt die Ampel auf rot.

Gold in USD Tageschart:

Der logarithmische Tageschart ist aktuell eine wackelige Angelegenheit. Nach den starken Anstiegen scheint die Luft etwas dünn geworden zu sein. Zumindest bleiben in den letzten zwei Handelstagen die Anschlusskäufe aus. Die Marke von 1.360 USD konnte gestern nicht mehr gehalten werden. Ein erneute Rücksetzer in Richtung 1.335 USD dürfte den Bären kurzfristig Auftrieb verleihen und einige technische Verkaufssignale auslösen. Allerdings ist die Stochastik seit gestern im einbetteten trendverstärkenden Modus unterwegs. D.h. überschaubare Kursrücksetzer oberhalb von 1.335 USD dürften das weiterhin bullische Bild noch nicht gefährden. Der RSI hat gestern die überkaufte Zone bereits wieder verlassen. Ein deutlich tieferes Vordingen in die überkaufte Zone wäre für den Indikator in der aktuellen Gesamtsituation eigentlich typisch – bis jetzt kam es aber noch nicht dazu.

Unterhalb von 1.335 USD wird ein Rücksetzer bis in den Bereich 1.262 – 1.295 USD sehr wahrscheinlich. Idealerweise sollte hier die zügig steigende 50-Tagelinie (1.280 USD) den Bären Einhalt gebieten. Mit etwas Geduld könnte sich daher bereits in den kommenden zwei bis drei Wochen eine neue Einstiegschance knapp unter 1.300 USD ergeben.

Alternativ wehren die Bullen alle Angriffe ab und belassen es lediglich bei einer Konsolidierung zwischen 1.335 und 1.375 USD. Dann wäre der Weg für einen Anstieg bis zum nächsten Kursziel im Bereich 1.415 – 1.430 USD frei.

In der Konklusion bleibt der Tageschart trotz der überkauften Lage und ersten Warnzeichen bullisch. Die Marke von 1.335 USD hat kurzfristig eine Schlüsselfunktion inne.

Gold/Silber-Ratio

Die zwischenzeitliche Gegenbewegung beim Gold/Silber-Ratio verlief mustergültig unterhalb von 76 Punkten und ist mit den zuletzt erneut starken Kursanstiegen beim Silberpreis abgeschlossen. Das Ratio fiel dabei in den letzten Handelstagen um knapp 10 Punkte und hat die Unterstützungszone um 70 Punkte erstmals seit Herbst 2014 wieder klar unterschritten. Silber hat die Führung übernommen und liefert damit ein starkes Kaufsignal für den gesamten Sektor.

Kurzfristig wartet um 66 Punkte eine weitere Unterstützung, welche eventuell eine erneute Gegenbewegung erzwingen könnte. Darunter liegt das nächste Ziel bei 58 Punkten. Erreicht Gold in den nächsten Monaten die Marke von ca. 1.500 USD, während Silber gleichzeitig bis ca. 26,00 USD zulegen kann, würde das Ratio ziemlich genau bis an diese technische Zielmarke von 58 Punkten stoßen.

CoT-Report

Die kumulierte Netto-Leerverkaufsposition der kommerziellen Händler ist in den vergangenen vier Wochen weiter angestiegen und hat mit 340.027 leerverkauften Kontrakten einen neuen absoluten Höchststand erreicht. Noch nie war das sogenannte "smart money" derart bärisch auf die Goldpreisentwicklung positioniert. Bereits seit Jahresanfang steigt diese Shortposition nun fast ununterbrochen gemeinsam mit dem Goldpreis an, ohne dass es bisher zu den aus den vergangenen Jahren bekannten heftigen Rücksetzern gekommen wäre. Die starke physische Nachfrage durch die Gold-ETFs hat den kommerziellen Händlern bisher keine Möglichkeit zur Eindeckung erlaubt. Sicherlich haben sie sich über andere Wege (Swap-Deals, Optionen, etc. ) gegen mögliche Verluste abgesichert. Die extrem hohe Shortposition bleibt aber ein klares Verkaufssignal, denn sie bedeutet ja auf der anderen Seite auch eine massive Long-Spekulation seitens der Hedgefonds. Wenn diese trendfolgenden Spekulanten alle gleichzeitig Kasse machen wollen, wird es sehr eng an der Ausgangstür.

Sentiment

Die aktuellen Sentimentdaten deuten einen zunehmend übertriebenen Optimismus am Gold- und Silbermarkt an. Die Minenaktien haben bereits die dunkelrote Zone erreicht. Am Mainstream ist der Goldpreisanstieg bis auf den Bericht in der Onlineausgabe der Bildzeitung bisher vorübergegangen. Insofern scheint noch Luft nach oben vorhanden zu sein.

Insgesamt bleibt es bei einem zunehmend warnenden Stimmungsbild, ohne dass sich daraus ein unmittelbares Verkaufssignal ableiten ließe.

Saisonalität

Saisonal betrachtet beginnt in diesen Tagen die beste Phase des Jahres für den Goldpreis. Im statistischen Durchschnitt der letzten 40 Jahre konnte Gold ab Mitte Juli bis Ende September regelmäßig starke Kursgewinne verbuchen. Einer der Haupttreiber war dabei häufig der Monsun in Indien. Eine gute Ernte bescherte den Bauern dort Einnahmen, welche traditionell in Gold angelegt werden.

Mittlerweile, dem fast 24-stündigen elektronischen Handel sei Dank, ist der Einfluss der Saisonalität etwas abgeflacht. Dennoch gibt dieser Analysebaustein dem Goldpreis in den kommenden Monaten massiven Rückenwind.

Gold in EUR

Rückblick:

In Euro gerechnet konnte der Goldpreis nach Abschluss der mehrmonatigen Konsolidierung zwischen 1.065 und 1.160 Euro zuletzt deutlich zulegen. Der Ausbruch über die starke Widerstandszone bei 1.165 EUR entfachte ein Kursfeuerwerk, welches die Notierungen bis auf 1.247 EUR emporschnellen ließ.Seit vier Handelstagen ist der Kursanstieg etwas ins Stocken geraten, ohne dass eine Trendwende ersichtlich wäre.

Gold in EUR Wochenchart:

Auf dem logarithmischen Wochenchart scheint sich seit Anfang März nicht eine ABC-Korrektur, sondern eine Dreiecksformation zu entwickeln. Das Hoch Anfang Juni lag jedenfalls knapp 8 EUR über dem Tief Anfang April. Gleichzeitig sind aber auch tiefere Hochs zu verzeichnen. Der übergeordnete Aufwärtstrend bleibt damit intakt und die laufende Konsolidierung nähert sich wohl langsam aber sicher ihrem Ende. Kurse unterhalb von 1.080 EUR sind jetzt ziemlich unwahrscheinlich geworden. Bleibt es bei der Dreieckskonsolidierung, kann man die Feinunze bestenfalls noch einmal knapp unter 1.100 EUR ordern.

Auffällig bleibt zudem die insgesamt eher positive Struktur der beobachteten Indikatoren. Der MACD läuft seit März seitwärts und hat aktuell ein kleines Verkaufssignal aktiviert. Das zugehörige Histogramm dreht aber schon wieder nach oben. Der RSI bewegt sich ebenfalls neutral. Die Stochastik jedoch hat bereits deutlich oberhalb der überverkauften Zone wieder nach oben gedreht und damit ein neuerliches Kaufsignal geliefert.

Insgesamt gibt der Wochenchart ein zunehmend bullisches Bild ab. Der Ausbruch aus dem Dreieck und über die starke Widerstandszone um 1.160 USD wird wohl im weiteren Verlauf dieses Sommers über die Bühne gehen.

Gold in EUR Tageschart:

Der logarithmische Tageschart verdient die Umschreibung "auf und davon". Die Eurogold-Bullen kennen jedenfalls kein Halten mehr, seitdem der Durchbruch über 1.165 EUR nachhaltig gelungen ist. Kurzfristig müssen sie allerdings offensichtlich etwas verschnaufen, denn der steile Kursanstieg hat zu einer stark überkauften Lage geführt. Technische Verkaufssignale sind aber noch nicht auszumachen. Einzig der überkaufte RSI mahnt zur Vorsicht. Die Stochastik hingegen hat gestern den trendverstärkenden "embedded" Status erreicht und spricht daher eher für eine Konsolidierung auf hohem Niveau und im Anschluss für eine Fortsetzung der Rally. Solange sich die angelaufene Konsolidierung oberhalb von 1.200 EUR bewegt, ist die Welt der Bullen kurzfristig in Ordnung. Kommt es zu einem Kursrutsch unter diese Marke, dürfte es zu einem zügigen Rücksetzer bis zum ehemaligen Widerstand um 1.165 EUR kommen, denn aufgrund der großen "Brexit-Kerze" sind sonst keine potentiellen Unterstützungen auf dem Weg nach unten auszumachen. Summa summarum bleibt der Tageschart zunächst bullisch. Die Gefahr eines größeren Rücksetzers ist aber nicht zu leugnen. Sollte es dazu kommen, winkt im Bereich um 1.165 EUR nochmals eine Nachkaufgelegenheit.

Handelsempfehlung:

Erfreulicherweise wurde das zuletzt genannte Kauflimit bei 1.100 EUR kurz vor der Brexit-Panik erreicht. So konnten sie nochmals günstig kaufen. Mittlerweile steht der Goldpreis knapp 120 EUR/Feinunze bzw. knapp 11% höher. Aufgrund der überkauften Lage gibt es derzeit keinen Grund den Preisen hinterherzulaufen. Erst bei Notierungen unterhalb von 1.170 EUR kann man wieder zugreifen.

Goldminenindex GDX

Die Goldminenaktien steigen auch weiterhin von einem Hoch zum nächsten. Der GDX (Market Vektor Goldminers ETF) liegt seit Mitte Januar fast 150% im Plus. Der Abstand zur 200-Tagelinie (18,78 USD) ist exorbitant und schreit eigentlich nach einer größeren Korrektur. Aber die in den letzten Jahren gnadenlos abgestraften Minenaktien ziehen davon unbeeindruckt den gesamten Edelmetall-Sektor weiter nach oben. Einzig die Tatsache, dass der ETF mittlerweile die Widerstandszone um 30,60 – 31,00 USD erreicht hat, wäre ein Argument für die Bären. Bei knapp 32,00 USD wartet aber noch das offene Gap vom April 2013. Bei den Indikatoren liefert der MACD weiterhin ein Kaufsignal. Die Stochastik bewegt sich bereits seit Anfang Juli ungefährdet im trendverstärkenden "embedded" Status. Lediglich der RSI hat wieder die überkaufte Zone erreicht. Damit spricht zunächst alles für weiter steigende Kurse, ohne dass man hier die zunehmende Gefahr eines größeren Rücksetzers außer Acht lassen darf. Knapp unterhalb der Unterstützungszone um 26,00 USD wartet die 50-Tagelinie (25,51 US), welche für den Fall eines Rücksetzers das erste Ziel bleibt. Insgesamt gilt auch für den GDX die Weisheit des großen Ed Seykota "The trend is your friend except at the end where it bends". Da ein Ende der starken Aufwärtsbewegung charttechnisch derzeit noch nicht abzusehen ist, bleibt die Bewertung bei "mega bullisch". Das offene Gap hat aber durchaus das Potential, den Bullen eine Pause zu bescheren. Kleinere Gewinnmitnahmen machen in diesem Umfeld in jedem Fall Sinn. Eine Kernposition sollte jedoch idealerweise über die nächsten ein bis vier Jahren durchgehalten werden.

Zusammenfassung und Konklusion

Chart 15 Zusammenfassung 120716

Die Entscheidung der Briten zugunsten eines Austritts aus der EU kam überraschend. Die Konsequenzen am Goldmarkt waren für dieses Szenario aber absehbar und nur logisch. Schließlich setzen die starken Kursanstiege der letzten Wochen lediglich den im Dezember begonnen Aufwärtstrend weiter fort. Ungeachtet der kurzfristigen Bewegungen bleibt mein Kursziel von 1.500 – 1.530 USD bestehen.

Ursprünglich hatte ich dafür das Frühjahr 2017 anvisiert. Wie wir jetzt wissen, kann dieser starke Widerstand auch deutlich schneller und damit bereits in den kommenden Monaten erreicht werden. Physisches Gold als Stabilisator bleibt im aktuellen Umfeld unersetzlich. Denn während sich die Ereignisse bei den britischen Immobilienfonds, den italienischen Banken als auch bei der Deutschen Bank überschlagen, stellen Gold und Silber einen sicheren Hafen ohne Ausfallrisiko dar. Charttechnisch interessant ist die Frage, was nach dem Erreichen der Zielzone 1.500 – 1.530 USD am Goldmarkt passieren wird. Ein deutlicher Rücksetzer in den Bereich 1.260 – 1.330 USD halte ich für sehr wahrscheinlich. Wer also derzeit den Zug verpasst hat, bekommt vermutlich in den nächsten 10 Monaten nochmals eine wirklich gute Einstiegschance präsentiert.

Wie aber der von mir durchaus verehrte Jim Rogers im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auf Goldpreise unterhalb von 1.000 USD kommt, bleibt mir etwas rätselhaft. Dann müsste es sich bei der fulminanten Rally der letzten Monate lediglich um eine Bärenmarktrally handeln. Ausgeschlossen ist das natürlich nicht! Die extreme Konstellation am Terminmarkt spricht durchaus dafür. Auch seine Argumentation basierend auf der schwierigen Situation in China kann ich nachvollziehen. Ansonsten sehe ich den Goldpreis aber gerade aufgrund der oben genannten Stressfaktoren nach unten gut unterstützt. Wie eingangs schon beim Monatschart erwähnt, benötigt es einen klaren Schlusskurs oberhalb von 1.550 USD, um die These einer Bärenmarktrally zu widerlegen. Auch im positiven Fall dürfte es bis dahin noch mindestens ein Jahr dauern!

Kurzfristig schwinden den Bullen jedenfalls etwas die Kräfte. Unterhalb von 1.335 USD werden die Bären Morgenluft schnuppern und die überkaufte Lage nutzen, um den Goldpreis bis in den Bereich 1.262 – 1.295 USD zurückzudrücken. Dieser Rücksetzer könnte dann die letzte Gelegenheit für einen Einstieg darstellen, bevor der Zug in Richtung 1.500 USD endgültig durchstartet.