Kolumne von Thomas Rausch

Yellen löst Gold-Rallye aus

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

Yellen hat gestern bei Ihrer Anhörung vor dem US-Kongress genau das geliefert, was zu erwarten war und ihre "Das-Glas-ist-halbvoll-Rhetorik" beibehalten, obwohl alle Zeichen auf Sturm stehen. Die Aktienmärkte konnten es erst nicht glauben, geraten aber ab heute wieder unter Druck, der in den nächsten Tagen und Wochen noch deutlich zunehmen dürfte. Und auf der anderen Seite schießt Gold jetzt weiter durch die Decke und notiert im Moment über dem langjährigen Abwärtstrend. Aus sehr gutem Grund!

Jenseits der Realität

Die Fed-Flüsterer sind sich noch immer nicht ganz einig: Hat Janet Yellen gestern vielleicht doch die Türe zu einer deutlichen Verlangsamung der Zinserhöhungsschritte geöffnet? War zwischen den Zeilen nicht doch das Gurren einer Zins-Taube zu hören? Nein, das Gegenteil ist der Fall: Im "Monetary Policy Report to the Congress" hat Yellen zwar alle Sorgen, die schwer auf den Seelen der Anleger lasten, adressiert, dann aber immer eine positive Wendung gefunden, die jeden Fed-Gläubigen den Angstschweiß auf die Stirn treiben muss.

Ja, die Arbeitsmarktdaten waren im Januar schwächer. Aber: Die Arbeitslosenquote sei dennoch unter 5 Prozent gefallen, die Stundenlöhne seien gestiegen und überhaupt: im letzten Jahr seien insgesamt 2,7 Millionen neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft geschaffen worden. Im Januar seien noch einmal 150.000 neue hinzugekommen. Im Lichte der Vergangenehit erscheint die Gegenwart um so rosiger. Das ist doch toll!

Janet Yellen. Photo: Rex Features

Ja, das Wirtschaftswachstum sei im letzten Jahr mit 1,75 Prozent nur moderat gewesen und habe vor allem am schwachen Export gelitten, der unter dem Eindruck eines starken Dollars stand. Und ja, im 4. Quartal 2015 habe sich das Wachstum auf 0,7 Prozent verlangsamt, nachdem auch die Inlandsnachfrage nachgelassen habe.

Aber: Die Konsumausgaben der privaten Haushalte seien dank des stabilen Arbeitsmarktes und der gefallenen Energiekosten robust. Immerhin: im letzten Jahr seien so viele Mini-Laster wie nie zuvor gekauft worden. (Was immer das heißen mag.)

Ja, im Bergbau und in der Ölindustrie seien massenhaft (z.T. sehr gut bezahlte) Stellen gestrichen worden.

Aber: in den meisten anderen Sektoren seien Stellen geschaffen worden (und zwar dank Obamacare im schlecht bezahlten Pflegebereich und im Gaststättenbereich). Und außerdem: die Investitionen der Unternehmen seien gestiegen und der Immobiliensektor erhole sich weiter, wenn auch nicht mehr ganz so schnell.

Ja, die finanziellen Bedingungen würden das Wachstum weniger stark unterstützen. Man sehe es auch an den gefallenen Aktienkursen, schärferen Kreditkonditionen für Kreditnehmer schlechter Bonität (gemeint sind die hochverzinslichen Unternehmensanleihen) und dem steigenden Dollar (der übrigens wie erwartet unter die 200-Tagelinie und den seit August 2015 bestehenden Aufwärtstrend gefallen ist.)

Aber: "As is always the case, the economic outlook is uncertain." Diese Daten können ja auch etwas Gutes bedeuten. Man weiß es eben nicht.

Ja, die Abwertung des Yuan spreche für die Sorgen vor einer Verlangsamung des chinesischen Wachstums.

Aber: Die jüngsten Indikatoren würden gar keine starke Abkühlung der chinesischen Wirtschaft andeuten. (Gemeint sind natürlich die offiziellen Daten Chinas, die – außer dem Fed – niemand ernst nimmt.)

Ja, diese (irrationalen) Wachstumssorgen, sowie die hohen US-Lagerbestände (darüber habe ich schon mehrfach als Zeichen für eine baldige Rezession in den USA berichtet) und die fallenden Rohstoffpreise seien keine guten Zeichen. Vor allem könnte die Nachfrage der finanziell angeschlagenen Rohstoffländer nach US-Waren und Dienstleistungen darunter leiden und die Bedingungen an den Finanzmärkten könnten sich verschärfen. Aber: Aus einer ganzen Reihe von Gründen könnte das Wirtschaftswachstum die Prognosen des Fed auch übertreffen. (Siehe oben: Man weiß es eben nicht, oder wie der Kölner sagt: "es hätt noch immer jot jejange".)

Das Fed will die Krise und langsam merken es die Marktakteure, denn statt sich über die Chance auf ein stärker als erwartetes Wirtschaftswachstum zu freuen, werfen auch heute wieder Aktien aus den Depots geworfen.

Gestern wurde Yellen im Kongress von einer klugen Abgeordneten gefragt, ob das Fed erst Chaos an den Märkten sehe wolle, bevor es die Wende von der Zinswende einleiten wird. Ich denke, die Damen hat es erfasst!

Kurz: Short auf den DAX! Ich glaube mittlerweile nicht mehr, dass die Unterstützung bei 8.300 Punkten halten wird, wenn das Fed seinen Crash-Kurs aufrechterhalten wird. Und: alle Augen auf

Viel Erfolg wünscht Ihnen

Ihr Thomas Rausch
Der BörsenExplorer

Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.