Bergbau: Australien am Scheideweg
Der Kontinent war in den Boomjahren in euphorischer Aufbruchstimmung. Alle wollten am großen Kuchen Rohstoffe mitnaschen. In allen Regionen Australiens wurde exploriert, entwickelt und produziert, immer damit rechnend, dass die Nachfrage am Weltmarkt auch in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen würde.
Doch dieser Weg stellt sich nun nach dem Abschwächen des "Generalimportlandes" China als fatal heraus. Kohle, Eisen und Industriemetalle, die wesentlichsten Exportgüter nach China, sind auf einmal weniger gefragt, die Preise dafür im Keller und die Exporteinnahmen des Kontinents schrumpfen im Monatsrhythmus.
Was für den Staat auf der einen Seite schlimm ist, ist für den Bergbau auf der anderen Seite einer Katastrophe gleichkommend. Nimmt man einmal Gold und das wenige Silber als Edelmetalle weg, so verbleibt der Exportgigant Eisen, der immerhin knapp 70% Anteil am Exportvolumen der Rohstoffe ausmacht und Kohle, die ebenfalls als 3. größter Exportartikel des Landes, gleichauf mit Gold, mit ca. 8% zum gesamten Exporterfolg beiträgt. Somit fallen knapp 80% der gesamten Exporterlöse aus dem Bergbau alleine auf die Produkte Eisen und Kohle. Und genau diese wurden in den vergangenen Jahren überwiegend nach China verschifft. Und speziell diese Branchen hat es in den letzten Quartalen extrem erwischt. Auch wenn sie weit weniger zum Gesamtvolumen des Exportes beitragen, aber Metalle wie Blei, Kupfer, Zink, Zinn, Bauxit u.s.w. befinden sich in der gleichen Situation wie die Exportgrößen Eisen und Kohle.
Die Folgen sind sehr deutlich bereits seit dem vergangenen Jahr zu sehen. Viele Kohleunternehmen und Eisenproduzenten können bei diesem Preisniveau nicht mehr wirtschaftlich produzieren, müssen ihre Betriebe schließen bzw. still legen. Der Weg über Bankkredite die "Dürreperiode" überstehen und die Betriebe laufen lassen zu wollen, hat sich ebenfalls als Schlag ins Kontor erwiesen, denn es ist aus heutiger Sicht noch nicht erkennbar, bis wann die Konsolidierungsphase auf den Rohstoffmärkten zu Ende sein wird. Unternehmen, die diesen Weg der Finanzierung eingeschlagen haben werden wohl ebenfalls in die Insolvenz schlittern.
Unternehmensgrößen wie Glencore oder Vale, die Teilbereiche ihrer Produktionen schließen können, haben natürlich als Multis bessere Optionen. Diese sind aber für Unternehmen, die ausschließlich Kohle oder Eisen produzieren, kaum gegeben. So hat sich bereits eine stattliche Anzahl an Unternehmen bereits im vergangenen Jahr zur vorübergehenden Schließung ihrer Betriebe entschlossen und ihre Mitarbeiter auf die Straße gesetzt. Von staatlicher Seite wird geschätzt, dass 2015 und 2016 alleine im Kohlebergbau an die 80.000 von 135.000 Mitarbeiter ihren Job verlieren werden. Weltweit, so eine Studie von Wood Mackenzie, seien rd. zwei Drittel aller Kohleminen unprofitabel. Die Eisenbranche und die anderen Rohstoffe noch nicht mitgerechnet. Eine ernst zu nehmende Situation für viele Familien und generell für den Arbeitsmarkt, die auch den australischen Arbeitsmarkt stark belastet.
Das Sprichwort: "den Gürtel enger schnallen" ist zwar theoretisch gültig, aber dahinter verbergen sich dramatische Schicksale von Menschen und Unternehmen. So befindet sich nun Australien tatsächlich auf einem Scheideweg, nachdem der bisherige Weg der Expansion nicht mehr begehbar geworden ist.
Nicht vergessen darf man auch die Investoren, die von dieser Wende ebenso beeinflusst werden. Negative Unternehmensentwicklung, destabilisierte Preise, unsichere Zukunft sind in Summe Argumente, die auch das Vertrauen der Investoren schwinden lassen. Man spürt zurzeit bei sehr vielen Entwicklungsgesellschaften dass sie nur erschwert an frisches Kapital gelangen. Einzig bei den Edelmetallen ist auf Grund der Währungsschwäche und der damit verbundenen guten Gewinnmargen der Betriebe die Welt noch in Ordnung. Für alle anderen ist ein düsteres Zeitalter angebrochen.
Die Bemühungen, sich durch kreative Lösungen über Wasser halten zu können, sieht man überwiegend bei kleineren Unternehmen. Wir hatten bereits darüber berichtet, dass Unternehmen mit Marihuana handeln, andere wieder mit technischen Gütern, mit Düngemittel oder sich in der Elektronikbranche versuchen. Nur, um für ihre Aktionäre wenigstens Erfolge und Einnahmen vorweisen zu können und so die Chance haben zu überleben. Natürlich sind ihre ursprünglichen Projekte zwischenzeitlich auf Eis gelegt, oder man hat sich gänzlich von ihnen getrennt. Andere wiederum versuchten durch Fusionierungen kostensparende Synergien zu nutzen. Auch dieser Trend ist ungebrochen und man liest in den australischen Medien laufend darüber.
Gesamt betrachtet kann man feststellen, dass der Bergbaugigant Australien sowohl mit seinen Betrieben als auch mit seinen Einnahmen daraus gewaltig wackelt. Doch, was bleibt für die kommende Zeit als Lösungsansatz?
Im Grunde nur, was Anglo American bereits umsetzt: radikale Maßnahmen, so sehr sie heute auch schmerzen, um für die Zukunft besser gerüstet zu sein, oder zumindest überleben zu können. Ein weiteres Sterben von Betrieben wird kaum aufzuhalten sein, zu stark hat man auf Expansion gesetzt und zu große Überschussmengen produziert. Weitere Fusionierungen werden auch 2016 zu beobachten sein, weitere Stilllegungen von Betriebsteilen und weitere Entlassungen von Mitarbeitern. Das "Gesundschrumpfen" ist eine unausweichliche Tatsache.
Australien als Exportgröße wird genauso zurückgestutzt werden wie viele amerikanische Öl- und Gasproduzenten, wie viele kanadische Produzenten von Industriemetallen und auf wesentlich bereinigter Basis sich wie Phönix erst dann aus der Asche erheben können, wenn Produktions- und Bedarfsmengen wieder in Einklang gebracht worden sind. Noch nicht für die Edelmetalle, aber für Kohle und die meisten Industriemetalle wird 2016 noch einen verschärften Überlebenskampf bringen, der auch die australische Regierung fordern wird.