Der Preisverfall am Rohstoffmarkt

Der Preisverfall am Rohstoffmarkt

Egal ob Kupfer, Öl, Eisen, Seltene Erden oder Kali, nahezu jedem Rohstoff wurde in den vergangenen Jahren eine rosige Zukunft und damit einhergehende Preissteigerungen vorausgesagt.

Doch im Jahr 2015 haben diese Rohstoffe hauptsächlich eines gemeinsam: einen dramatischen Preisverfall.

Die Ursache für den deutlichen Preisverfall der Rohstoffpreise scheint bis vor wenigen Jahren undenkbar gewesen zu sein, allein der Gedanke daran war absurd. Denn trotz steigendem Konsum und einer sich stetig vergrößernden Weltbevölkerung zeigt sich bei einigen Rohstoffen eine Sättigung des Marktes und in einigen Bereichen sogar eine Überproduktion.

Wie konnte es so weit kommen?

Als Grundlage der jetzigen Situation dürfte die Kombination aus der Entwicklungsphase einer Mine und der bis vor wenigen Jahren ungebremste Anstieg der Rohstoffpreise gedient haben.

Neue Bergbauprojekte benötigen inzwischen mehrere Jahre bis hin zu Jahrzehnten, um von der Explorationsphase zur Inbetriebnahme zu gelangen. Dabei spielen sowohl allgemeine politische und konjunkturelle Entwicklungen eine Rolle, als auch die Planungssicherheit der Unternehmen. Je größer die Minenprojekte werden, je mehr Geld in Infrastruktur und in Umweltverträglichkeits- und Machbarkeitsstudien investiert werden muss, desto länger müssen diese Projekte auch rentabel sein.

Im aktuellen Jahr nehmen einige neue Großprojekte ihren Betrieb auf bzw. erweitern ihre Produktion, darunter fallen unter anderem die Goldmine Cerro Negro von Goldcorp in Argentinien, die Canadian Malartic Goldmine in Kanada, die von Agnico Eagle Mines und Yamana Gold (früher Osisko Mining) betrieben wird, die Kupfer-Gold-Mine Oyu Tolgoi von Turquoise Hill in der Mongolei ebenso wie die in Chile von der polnischen KGHM betriebene Kupfermine Sierra Gorda. Auch das Kaliprojekt Legacy (Saskatchewan, Kanada) des deutschen Konzerns K+S wird voraussichtlich nächstes Jahr in Betrieb gehen und damit einen gesättigten Markt weiter unter Druck setzen.

Die Entscheidungen für die Erweiterungen und Entwicklungen dieser Liegenschaften wurden vor mehreren Jahren getroffen, als sowohl die Nachfrage nach Rohstoffen als auch die Preise einem intakten Aufwärtstrend gefolgt sind. Investoren waren bereit, die Unternehmen bei Expansionstätigkeiten finanziell zu unterstützen, um von den erwarteten weiteren Preissteigerungen zu profitieren.

Jedoch nahmen diverse Konzerne die Herausforderung an, neue Vorkommen zu erschließen und eigene Portfolios mit Zukäufen und eigenen Programmen zu erweitern. Auch technische Verbesserungen in der Förder- und Aufbereitungstechnik sowie verstärkte Nachfrage einiger Elemente und Verbindungen befeuerten den Trend.

Stark steigende Rohstoffpreise und wachsendes Interesse finanzstarker Investoren brachten letztendlich auch die Presse und die Politik auf den Plan, die einige der Rohstoffe als strategisch wichtig definierten und damit endgültig einen Hype auslösten. Weltpolitische Krisen, z.B. Exportbeschränkungen auf Selten Erd Elemente aus China, lösten wahre Preisexplosionen aus. Und es war kaum überraschend, dass zahlreiche Firmen mit neuen Projekten und Lizenzgebieten auf den Plan traten, die gezielt auf vorherrschende (meist kurzfristige) Trends abgestimmt waren (z.B. Lithium, Graphit, Zink, Selten Erd Elemente).

Und nur wenige Jahre später bricht das Kartenhaus in sich zusammen, die Preise für Rohstoffe scheinen entgegen aller Prognosen nur noch den Weg nach unten zu kennen.

Wieso haben Unternehmen, Staaten und Analysten die Entwicklung nicht richtig eingeschätzt?

Insbesondere kleine Unternehmen versuchen Trends zu folgen und Nischen zu besetzen, um einen neuen Markt und damit frische Geldmittel vereinnahmen zu können. Je mehr Geld in den Markt gepumpt wird, desto mehr Unternehmen werden in die Lage versetzt, ihre Projekte zu erkunden und zu entwickeln.

Gerade der Sektor der Seltenen Erden ist ein Paradebeispiel.

Nachdem China 2009 Exportquoten für die begehrten High-Tech-Rohstoffe eingeführt hatte und es im Jahr 2010 zusätzlich zu politischen Spannungen zwischen China und Japan kam, stiegen die Preise für die Seltenen Erden um das bis zu 20-fache an.

Und bereits wenige Monate später war die Mountain Pass Mine in den USA, betrieben durch Molycorp, wieder in Betrieb, ab 2012 wurde die erneuerte und modernisierte Anlage in Betrieb genommen. Auch Lynas Corp. mit der Mine Mount Weld in Australien und einer Aufbereitungsanlage in Malaysia war bereits 2011 in der Lage die Produktion in der Mine aufzunehmen. Aktuell befinden sich in 16 Ländern der Welt insgesamt fast 60 Projekte im Entwicklungsstadium.

Doch die Preise kennen seit ihrem Hoch nur noch eine Richtung, der allgemeine Kursrückgang der ehemals begehrten High-Tech-Rohstoffe beträgt um die 90%. Doch nicht nur das gesteigerte Angebot sowie die zu erwartenden Steigerungen der Produktionsmengen aus primären Lagerstätten drückt den Preis. Die Erschließung sekundäre Rohstoffe vor allem durch verbesserte und neue, innovative Recyclingmethoden ermöglicht einen niedrigeren Verbrauch an Primärrohstoff.

Letztendlich hat auch die Industrie die technische Entwicklung vorangetrieben und über einen effizienteren und deutlich reduzierten Einsatz der Selten Erd Elemente, sowie durch die Substitution dieser Elemente durch vergleichbare und nicht weniger effektive Legierungen und Verbindungen die Nachfrage reduziert und damit einen weiteren Preisdruck verursacht.

Und nicht zuletzt sorgten Investoren, die High-Tech-Metalle physisch erworben und hinterlegt haben für eine künstlich erhöhte Nachfrage in Zeiten starker Preise und damit zu einer weiteren Überhöhung des Preisniveaus. Auch diese Investments fallen in der aktuellen Marktphase stark zurück und beschleunigen somit den Preissturz. Die in den Lagern hinterlegten Rohstoffe bilden zusätzlich einen Puffer für steigende Nachfrage oder bei einer Zwangsliquidation auch die Gefahr eines weiteren Preisrutsches.

Als bisheriger Höhepunkt des Abwärtstrends kann der im Juni 2015 erklärte Bankrott von Molycorp angesehen werden. Auch der Wettbewerber Lynas leidet stark (Aktienkurs etwa 1,75€ im Juni 2011, unter 0,03€ im Juli 2015).

Neben Schwankungen in der Nachfrage wurde vor allem die tatsächliche Verfügbarkeit der Rohstoffe unter-, sowie deren Einzigartigkeit überschätzt. Zahlreiche neue Projekte (ungeachtet deren tatsächlicher Wirtschaftlichkeit) belegen eindrucksvoll, dass die begehrten Rohstoffe in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen, neue technische Innovationen zeigen zudem, dass eine Substitution durch billigere Elemente und Verbindungen umsetzbar ist und damit die strategische Bedeutung einzelner Elemente deutlich geringer ist als zunächst angenommen.

Im Bereich anderer Rohstoffe verhält es sich ähnlich.

Bei Eisenerz und Rohöl spielen neue Vorkommen und drastisch erweiterte Fördermengen in Kombination mit einer sich abschwächenden konjunkturellen Entwicklung eine Rolle. Sowohl der Markt für Eisenerz als auch für Rohöl wird durch wenige Länder und Unternehmen dominiert, die aktuell den Preisrückgang durch erweiterte Produktions- und Fördermengen ausgleichen wollen.

Bei Eisenerz setzen sowohl BHP Billiton, Rio Tinto und Vale auf steigende Fördermengen, auch hier nähern sich neue Projekte und Expansionsprogramme ihrer Vollendung. Und selbst bei niedrigerer Marge müssen die Investitionen in Infrastruktur und Bergbauprojekt eine Rendite erwirtschaften und das jeweilige Projekt rechtfertigen. Der Rückgang der Nachfrage aus China stellt hier einen entscheidenden Faktor des Preisdruckes dar.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Kupfer ab. Die schwächelnde Nachfrage aufgrund lahmender Konjunktur sowie neue Projekte mit verbesserten Ausbringungsraten in Chile und Peru setzen den Markt unter Druck.

Bei Erdöl und Erdgas spielt nicht nur der Machtkampf der OPEC mit der nordamerikanischen Fracking-Industrie und den Ölsanden eine Rolle, auch reduzierte Sanktionen gegen den Iran sorgen für eine Überflutung eines schwächelnden Marktes mit billigem Erdöl.

Und nicht zuletzt ist der Markt für Kali, hauptsächlich Grundlage für Düngemittel, von Machtkämpfen gezeichnet. Neben Uralkali, Belaruskali und Potash Corporation treten auch die deutsche K+S und BHP Billiton auf den Plan und wetteifern um Absatzmärkte sowie um die attraktiven Vorkommen.

Wie reagieren die Staaten und Unternehmen auf die veränderten Bedingungen?

Investoren haben sich in den letzten Jahren bei Rohstoffinvestments überwiegend die Finger verbrannt, viele Unternehmensberichte sind von Verlusten und Abschreibungen gekennzeichnet. Um weitere Verluste zu vermeiden, kehren viele private Anleger und Investoren dem Rohstoffmarkt den Rücken zu.

Staaten sind in ihrer Ausrichtung etwas unflexibler. So laufen derzeit in Deutschland und auch dem restlichen Europa diverse Forschungsprogramme und Studien an, die eine gezielte Suche nach Selten Erd Elementen, deren Gewinnung und Aufbereitung sowie deren Recycling und Substitution zum Ziel haben sollen. Da es hierbei um den Einsatz von Fördermitteln geht, spiegelt sich hier der bürokratische Aufwand wider, dem sich auch Unternehmen in der westlichen Hemisphäre bei Genehmigungsprozessen ausgesetzt sehen. Diese mittel- bis langfristig angelegten Forschungsprojekte stellen im Idealfall eine dauerhafte Versorgung sicher, auf kurze Sicht sind sie jedoch keine Lösung für eine Rohstoffknappheit. Und die Wirksamkeit solcher Programme als Reaktion auf einen extrem kurzen Trend oder Hype kann ebenso in Frage gestellt werden. Unternehmen sind in dieser Hinsicht deutlich flexibler, auch dem Umstand geschuldet, dass die eigene Existenz von Innovationen abhängen kann.

Der Markt für Seltene Erden gibt bezüglich der Rohstoffpreise nicht viel her, Unternehmen benötigen nicht nur allgemein gute Gehalte sondern spezielle Elemente in ausreichender Menge, auch die Förderkosten und die Aufbereitungstechnik spielen hier eine entscheidende Rolle.

Der Markt für Eisenerz sieht sich einem wachsendem Überangebot ausgesetzt, derzeit setzen insbesondere die Branchengrößen auf eine Ausweitung der Produktion.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Erdöl ab. Die OPEC-Staaten setzen auf eine Ausweitung der Förderung, um den Ölpreis auf ein für die Fracking-Industrie unrentables Level zu drücken. Konzerne wie Statoil und BP berichten aufgrund der Preisrückgänge entsprechende Gewinneinbrüche, Total allerdings hat die Förderung ausgeweitet um den Preisverfall zu kompensieren.

Bei Kupfer zeichnet sich ein anderes Bild ab. Kürzungen der Stromproduktion in Zambia könnten die Produktion von First Quantum Minerals Mine Kansanshi beeinträchtigen, Streiks bei dem chilenischen Staatskonzern Codelco bedeuten unter Umständen ein reduziertes Angebot. Auch die reduzierte Prognose des chilenischen Kupferproduzenten Antofagasta nimmt ein wenig Druck aus dem schwächelnden Markt, ebenso die temporäre Schließung der Kupfer-Gold-Mine Ok Tedi auf Papua Neuguinea. Nichtsdestotrotz bedeuten die vorhandenen Kapazitäten gegenüber einer sich abschwächenden Nachfrage in naher Zukunft eher weiteren Preisdruck als eine Stabilisierung oder sogar die Grundlage einer Preissteigerung.

Die interessanteste Entwicklung zeichnet sich derzeit wohl im Kali-Sektor ab. Der Versuch der Übernahme von K+S durch Potash Corp. kann aus mehreren Aspekten Sinn machen. Das Legacy-Projekt von K+S soll 2016 in Produktion gehen und zu günstigen Produktionskosten vornehmlich den nordamerikanischen Markt bedienen. Nachdem der Weltmarkt auch bei Kali derzeit an einer Überproduktion leidet, stellt der Übernahmeversuch nicht nur die potentielle Eingliederung eines rentablen Unternehmens mit attraktiven Projekten in Aussicht. Statt einer vollständigen Integration und Übernahme der Geschäftstätigkeiten von K+S könnte Potash Corp. auch durchaus ein Interesse daran besitzen, weniger rentable Bergwerke zu schließen und damit das Angebot und folglich den Preisdruck zu reduzieren. In dieses Modell würde auch die Kontrolle des Legacy-Projektes passen, das entweder zur vollen Kapazität ausgebaut werden könnte, um mögliche Wettbewerber preislich unter Druck zu setzen, oder dessen Ausstoß je nach Marktlage gedrosselt werden könnte, um die eigene Marktposition sowie den Rohstoffpreis zu stabilisieren.

K+S scheint bereit, sich mit allen Mitteln einer Übernahme widersetzen zu wollen. Neben anderen Konzernen könnte auch die KfW mit einer Sperrminorität die Übernahme erschweren, verzögern oder sogar verhindern. Als kurzfristig orientierter Aktionär stellt das bisherige Übernahmeangebot unter Umständen bereits eine attraktive Offerte dar, die jedoch dem substantiellen Wert des Unternehmens nicht in allen Belangen gerecht wird.

Investoren können sich in der Phase fallender Rohstoffpreise auch auf weitere Übernahmen einstellen, jedoch ist zu beachten, dass die Übernahmepreise aufgrund stark gefallener Aktienkurse nicht unbedingt dem wahren Wert des Unternehmens gerecht werden. Und auch wenn es meist nicht offen diskutiert wird, stellen die niedrigen Rohstoffpreise und die teilweise hohe Verschuldung der Unternehmen auch eine substantielle Gefährdung dar. Und die Bedrohung einer Insolvenz betrifft keinesfalls nur den Sektor der Explorationsgesellschaften oder der Junior-Produzenten.

Die aktuelle Marktphase stellt für viele Unternehmen eine Herausforderung dar, doch neben Sparprogrammen und dem Überlebenskampf werden jetzt die Weichen für die Zukunft gestellt. Es lohnt sich allemal den Rohstoffmarkt im Auge zu behalten, denn auch substantiell gesunde Unternehmen sind inzwischen zu günstigen Preisen zu erhalten.

Im Einkauf liegt der Gewinn, als Investor geht es nun darum, aussichtsreiche Unternehmen zu identifizieren und dann im richtigen Moment die Chance zu ergreifen.