Ist das die Große Korrektur?
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
es ist müßig sich zu fragen, welche Faktoren dazu geführt haben, dass der S&P 500 in der vergangenen Woche mit Karacho unter die 50 Tagelinie gestürzt ist und der Dow Jones seine sämtlichen Jahresgewinne wieder eingebüßt hat. War es der eskalierende Wirtschaftskrieg zwischen den USA, Europa und Russland, die Pleite Argentiniens, die Krisen im Nahen Osten, oder die rückläufigen Gewinne der Unternehmen?
Tatsächlich kann man nicht einmal sicher sein, ob die vergleichsweise moderaten Kursrückgänge an der Wall Street tatsächlich eine signifikante Korrektur eingeleitet haben. Der Aufwärtstrend im S&P 500 ist intakt. Die charttechnische Situation erinnert an den Jahresbeginn. Nach einer zähen Seitwärtsbewegung über einige Wochen brach der Leitindex plötzlich durch die 50-Tagelinie, stoppte den Ausverkauf für einige Tage an einer Unterstützungslinie und brach dann erneut ein, um dann allerdings in der Nähe der 200- Tagelinie wieder zur alten Stärke zurückzufinden.
Auch diesmal könnte der S&P 500 bis in die Nähe oder direkt auf die 200 Tagelinie stürzen, um dann seine Rallye fortzusetzen. Ich halte dieses Szenario sogar für plausibel – wenn auch nicht für wahrscheinlich -, denn wenn bei den Anlegern grundsätzliche Zweifel am Fortbestand der Rallye bestünden, wären die Märkte wahrscheinlich sehr viel deutlicher eingebrochen. Solange die Anleger sogar im großen Stil argentinische Aktien kaufen, kann von Panik keine Rede sein.
Ich habe bei 9.750 Punkten im DAX mit einem Shortzertifikat auf fallende Kurse gesetzt, weil ich glaube, dass deutsche Unternehmen besonders stark unter den russischen Sanktionen leiden werden. Auch im Falle einer bloßen Konsolidierung am Aktienmarkt dürfte der DAX deshalb besonders stark leiden.
Die Wette ging auf, das Zertifikat in meinem Tradingdepot ist um über 34 Prozent angesprungen, mein Tradingdepot liegt jetzt mit über 27 Prozent im Plus. Aber auf die große Korrektur setzte ich damit noch nicht. Erst wenn der DAX unter 8.900 Punkte fällt, der S&P 500 unter 1.850 Punkte, könnte das der Startschuss für eine Panikattacke am Aktienmarkt sein. Aber so weit ist es im Moment noch nicht.
Warum steigt Gold nicht?
Meine Grundthese ist, dass Gold steigen könnte, wenn der Aktienmarkt fällt. Hätte Gold dann nicht in der letzten Woche durch die Decke gehen müssen? Nein, denn es wurden keine zentralen Unterstützungen an der Wall Street unterschritten. Der VIX, das Angstbarometer für den S&P 500, ist zwar angesprungen, tendiert aber noch immer auf extrem niedrigem Niveau. Aus diesem Grund halte ich mich mit der Aufnahme neuer Gold- und Silberaktien in mein Musterdepot noch zurück.
Aber die Stunde der Wahrheit wird kommen!
Espirito Santo als Spitze des Eisbergs
Die Bankenrettung in der Euro-Zone geht in die nächste Runde. Vor wenigen Tagen hieß es noch, auch wenn das gesamte Espirito Santo-Konglomerat insolvent ist, die Bank Espírito Santo (BES) sei zahlungsfähig. Am Wochenende wurde dann beschlossen, die Bank mit EU-Hilfe in Höhe von 4,9 Milliarden Euro zu retten. Vor wenigen Tagen hieß es noch von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, es bestehe keine Ansteckungsgefahr für andere Banken der Euro-Zone.
Fakt ist, dass Espirito Santo aufgespalten werden soll: In einen "guten Teil" (was immer das ein soll) und eine Bad Bank. Der "gute Teil" heißt jetzt einfach Novo Banco und sorgt dafür, dass die Spareinlagen und vorrangige Anleihegläubiger dank der EU-Hilfe aus dem ESM sicher sind. Die Aktionäre und Gläubiger der Bad Bank aber, zu ihnen zählt z.B. die französische Crédit Agricole, werden angeblich tatsächlich Verluste erleiden. Aber wer wird für die Verluste der Crédit Agricole haften?
Die Ansteckung der Banken untereinander ist seit Ausbruch der Krise im Jahr 2008 längst keine Gefahr mehr, sondern bittere Realität. Ich bin mir sicher, dass Espírito kein Spezialfall ist, weil das Management besonders korrupt wäre. Viele Banken vor allem im Süden Europas haben die selben Probleme wie Espírito: Wie können langfristige faule Kredite durch neues, kurzfristig aufgenommenes Kapital gedeckt werden? Dazu sind alle Tricks, die unter den Augen der staatlichen "Regulierer", der nationalen Notenbanken und der EZB durchgeführt werden, im Sinner der "Stabilität" des europäischen Bankensystems notwendig und legitim. Lassen sich die Tricks nicht mehr verschleiern, springt der Steuerzahler rettend ein. Soviel zum Versprechen Wolfgang Schäubles, bei "zukünftigen Bankenkrisen" würden zuerst die Eigentümer und Gläubiger herangezogen, nicht die Steuerzahler.
Gold wird nicht steigen, weil Politiker ihre Versprechen brechen. Dann müsste der Goldpreis täglich neue Höchststände erreichen. Gold wird steigen, weil das Pyramidenspiel, langfristige Verbindlichkeiten von Banken und Unternehmen mit Hilfe der Geldpolitik der Notenbanken durch billige kurzfristige Kredite zu bedienen, eher früher als später vor die Wand fahren wird: In der Euro-Zone, in China, in den USA…
Ihr Thomas Rausch
Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.