Kolumne von Thomas Rausch

Wollen die Notenbanken den kontrollierten Crash?

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

aus dem gestern veröffentlichten Sitzungsprotokoll des FOMC geht hervor, dass das Fed seine monatlichen Anleihenkaufprogramme bis Oktober abschließen will. Vorausgesetzt die Konjunkturentwicklung lässt dies zu. Viel interessanter aber ist der Hinweis einiger Mitglieder auf die gestiegene Risikoneigung an den Finanzmärkten und die nachlässige Haltung der Anleger gegenüber wirtschaftlichen Risiken. Diese drücke sich in der geringen Volatilität an den Aktien-, Devisen- und Anleihenmärkten aus. Genaue Hinweise auf den Zeitpunkt möglicher Zinserhöhungen finden sich in den Minutes nicht. Das Fed arbeite aber an einer Strategie zur Kommunikation der geplanten "Normalisierung der Geldpolitik", so dass die Märkte vor dem eigentlichen Zinsschritt gewarnt seien.

Gerade dieser letzte Hinweis ist natürlich nichts anderes als eine Warnung vor steigenden Zinsen, auf die sich die Marktteilnehmer schon jetzt vorbereiten sollen.

Dem Fed geht Vollbeschäftigung vor Finanzmarkstabilität

In der letzten Woche hatte Janet Yellen in ihrer Rede vor dem IWF betont, dass die Geldpolitik nicht dazu geeignet sei, die Stabilität der Finanzmärkte zu erhöhen. Damit wies sie den Vorschlag der BIZ zurück, die Zinsen lieber früher als später anzuziehen, um die Luft aus den diversen Spekulationsblasen entweichen zu lassen. Anders als ihre Kollegen sieht Frau Yellen überhaupt keine Übertreibungen an den Märkten. Nein, sie wird die Zinsen vermutlich Mitte nächsten Jahres erhöhen, weil es die positive Entwicklung der US-Konjunktur zulässt. Denn, so Yellen: "Maßnahmen zur Förderung der Finanzstabilität durch Anpassungen der Zinsen würden die Schwankungen von Inflation und Beschäftigung erhöhen."

Das heißt: Während die BIZ vor den Verwerfungen an den Finanzmärkten warnt, sieht Yellen das größere Risiko bei "Inflation und Beschäftigung". Sie umschreibt damit letztlich elegant einen Deflationsschock, der ausgelöst werden würde, wenn sie die Zinsen aus Sicht der Konjunkturentwicklung zu früh anhebt. Einige Mitglieder des Fed teilen zwar die Ansicht der BIZ, dass die Risiken an den Finanzmärkten gestiegen sind. Und in dem sie davor warnen, betreiben sie tatsächlich eine Geldpolitik, die einen bereinigenden und kontrollierten Crash an den Assetmärkten auslösen könnte. Im Unterschied zur BIZ behält sich Yellen aber die Option vor, die Finanzmärkte auch zukünftig weiter mit Liquidität zu fluten, sollte der Korrektur an den Finanzmärkten auf die Konjunktur durchschlagen.

Merken Sie was? Dem Fed ist die Schaffung von Arbeitsplätzen wichtiger als die Stabilität der Finanzmärkte. Wenn das so ist, warum sollten die Anleger das Risiko scheuen? Selbst wenn sich die Arbeitsmarktzahlen weiter verbessern sollten, folgt daraus noch keine "Normalisierung der Geldpolitik". Vielmehr folgt dann vermutlich die erneute Anpassung der Forward Guidance. Und sollte sich die US-Konjunktur in diesem Jahr eintrüben – immerhin ist das US-BIP im ersten Quartal um fast 3 Prozent geschrumpft -, behält sich das Fed vor, die Anleihenkaufprogramme wieder auszudehnen.

Geht die Rallye am Aktienmarkt also weiter?

Gestern hat die Unterstützung im DAX bei 9.750 Punkten gehalten. Heute könnte sie erneut getestet werden. Hält sie, könnte die Rallye einen neuen Schub erfahren. Bricht sie, wäre zunächst lediglich mit einer kleineren Korrektur oberhalb von 9.000 Punkten zu rechnen.

Erst den Crash, dann wieder Cash

Wie die BIZ in ihrem Jahresbericht so schön schreibt, befinden sich die Märkte im Bann der Notenbanken. Und deren Politik ist scheinbar widersprüchlich: Einerseits warnen sie über ihre Dachorganisation BIZ vor den negativen Folgen ihrer Gelddruckorgie, andererseits fluten sie (z.B. die Bank of Japan und die EZB) die Märkte weiter mit Geld. Der Widerspruch löst sich auf, wenn man unterstellt, dass die Notenbanken eine Korrektur wünschen, um anschließend weiter Geld zu drucken. Wenn es der Wunsch der Notenbanken ist, dass die Märkte wieder volatiler werden, dass das Geld zunächst wieder knapper wird, damit eine neue Gelddruckorgie in der kontrollierten Krise wieder eine höhere Wirkung erzielt (Stichwort: Erhöhung des Grenznutzens), dann sollte man sich als Anleger nicht gegen die Notenbanken stellen. Wenn ich mit dieser Hypothese richtig liege, kommt es vermutlich in diesem Jahr zu einer deftigen Korrektur am Aktienmarkt und bei den Unternehmensanleihen, deren Verlauf durch die Notenbanken gesteuert wird, um anschließend die Gelddruckorgie noch zu beschleunigen.

Wir bereiten uns auf diese "Volatilität" am besten durch das halten von Cash vor, um im geeigneten Augenblick wieder einzusteigen.

Ihr Thomas Rausch

Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.