Kolumne von Hannes Huster

Sind Silber-Bullen alle Träumer?

Liebe Leserinnen und Leser,

heute wollen wir uns nicht mit Gold befassen, dafür aber mit dem kleinen Bruder Silber. Das Gold des kleinen Mannes, wie Silber auch gerne bezeichnet wird, führt seit Monaten ein Schattendasein und die Gurus, mit Kurszielen von 100 USD für eine Unze, sind nahezu komplett verstummt.

Der Silber-Markt ist im Grunde kein Anlagesektor, sondern eine volatile Aktie

Der Silbermarkt ist klein, im Vergleich zu anderen Anlagesektoren sogar kaum nennenswert. Aus den Minen wurden im vergangenen Jahr knapp 820 Millionen Unzen Silber gefördert. Bei einem Silberpreis von 20 USD je Unze sprechen wir also über ein Angebot pro Jahr im Gegenwert von 16,4 Milliarden USD. Hinzu kommt das Silber-Recycling (ca. 192 Millionen Unzen Silber) und einige kleine Verkäufe von Regierungen (7,9 Millionen Unzen Silber).

Das zur Verfügung stehende Angebot im Silbermarkt liegt also ziemlich genau bei 980 Millionen Unzen im Gegenwert von 19,6 Milliarden US-Dollar.

Wenn wir dies nun mit anderen Märkten vergleichen, wissen Sie jetzt schon, dass der Sektor mit unter 20 Milliarden pro Jahr vom Volumen her einer der kleinsten überhaupt ist. Um einen aktuellen Vergleich zu ziehen. Die DEUTSCHE BANK hat eine neue Kapitalerhöhung bekannt gegeben, bei der sie alleine 8 Milliarden Euro (ca. 11 Milliarden US-Dollar) aufnehmen möchte.

Mit diesem Kapital wäre es schon möglich, mehr als die Hälfte des gesamten Silberangebotes pro Jahr aufzukaufen!

APPLE hat im ersten Quartal rund 10 Milliarden USD verdient und könnte mit dem Jahresgewinn das komplette Silberangebot von zwei Jahren auf einen Schlag kaufen!

Alleine diese beiden Beispiele zeigen, dass Silber allein von der Größe her eher mit einer Aktie als mit einem Investmentmarkt verglichen werden kann.

Dies hat Vor-, aber auch Nachteile. Silber ist ein tückisches Metall und aufgrund der Marktenge leicht zu steuern. Dies haben wir sowohl beim Anstieg auf 50 US-Dollar je Unze im Jahre 2011 gesehen, aber auch beim anschließenden Abverkauf auf derzeit ca. 19,50 US-Dollar.

Mehr Angebot als Nachfrage oder umgekehrt?

Die generelle Frage bei Rohstoffen ist die Angebots- und Nachfragesituation. Rein theoretisch sollte ein Metall bei einem Angebotsdefizit steigen und bei einem Angebotsüberschuss fallen.

Betrachten wir uns allerdings Silber, so muss es andere Kräfte geben, die das Metall im vergangenen Jahr unter Druck gebracht hat. Die Nachfrage nach Silber war in 2013 nämlich stark wie noch nie. Die größte Nachfrage kommt traditionell von der Industrie, gefolgt von den Prägeanstalten und der Schmuckindustrie. Im vergangenen Jahr lag die Gesamtnachfrage bei 1,08 Milliarden Unzen Silber, also rund 113 Millionen Unzen mehr, als offiziell im Angebot waren. Diese 113 Millionen Unzen haben einen Gegenwert von rund 2,2 Milliarden US-Dollar.

Rein theoretisch hätte Silber also im vergangenen Jahr aufwärts tendieren müssen bzw. zumindest das Niveau des Vorjahres halten.

Blicken wir allerdings zurück auf das Jahr 2013, so zeigt sich ein komplett verdrehtes Bild. Der Silberpreis lag Anfang 2013 bei über 30 US-Dollar und Ende 2013 bei 19,43 US-Dollar. In einem Markt, in dem es ein Defizit auf der Angebotsseite von mehr als 113 Millionen Unzen gibt, fällt Silber um etwa 35%.

Relative und absolute Schwäche

Trotz positiver fundamentaler Daten, fiel der Silberpreis im vergangenen Jahr um etwa 35% und hält sich seit dem Jahresbeginn mehr oder weniger um dieses Niveau auf. Neben dieser absoluten Schwäche zeigte sich Silber in den vergangenen Jahren auch im Verhältnis zum Goldpreis schwach.

Diese relative Schwäche im Verhältnis zum Goldpreis lässt sich immer sehr schön an der Gold-Silber-Ratio betrachten. Steigt diese, läuft der Goldpreis stärker als Silber und umgekehrt. Die Ratio drückt aus, wie viele Unzen Silber man benötigt, um eine Unze Gold zu kaufen.

Aktuell benötigt man knapp 67 Unzen Silber, um eine Unze Gold kaufen zu können. Wie Sie im folgenden Chart sehen können, zeigt Silber seit dem Top bei 50 USD je Unze eine klare Underperformance zum Gold. Beide Edelmetalle sind gefallen, doch Silber deutlich stärker als der Goldpreis.

Ganz unten im Chart sehen Sie den Verlauf des AMEX GOLD BUGS INDEX HUI. Dieser Index, der die größten Gold- und Silberproduzenten enthält, zeigt ebenfalls eine Underperformance im Vergleich zum Goldpreis.

Betrachten wir uns den gleichen Chart seit dem Jahre 2000. Sie sehen, dass es in Zeiten einer fallenden Gold-Silber-Ratio immer zu den stärksten Anstiegen im Sektor kam, besonders bei den Minenaktien. Diese liefen immer besonders gut, wenn Silber den Goldpreis schlagen konnte:

Die Gold-Silber-Ratio ist also wichtiger, als viele Investoren glauben. Sie zeigt nicht nur das Verhältnis vom Gold- zum Silberpreis, sondern gibt auch Auskunft über die Risikobereitschaft der Investoren.

Fällt die Gold-Silber-Ratio, wird am Markt Silber stärker nachgefragt und dies deutet auf eine erhöhte Risikobereitschaft der Anleger hin. Mit dieser Portion mehr Mut im Gepäck sind es dann auch die Minenaktien, die ebenfalls auf der Kaufliste stehen.

Betrachten wir uns die Ratio nochmals genauer, so sehen wir einen wichtigen Widerstand bei 67,5. Dies war das Hoch vom Juli 2013 und wurde kürzlich erneut getestet. Der steile Aufwärtstrend wurde gebrochen und aktuell scheint die Ratio einen zweiten Test der Höchststände anzulaufen. Scheitert die Ratio am durchbrochenen Aufwärtstrend und der Marke von 67,5, so könnte Silber vor einer stärkeren Gegenbewegung nach oben stehen!

Commericals positionieren sich für die Trendwende beim Silber

Eingangs haben wir einen Blick auf die physische Angebots- und Nachfragesituation geworfen. Doch wie Sie als informierte Anleger wissen, gibt es noch den Papier-Silber-Markt, der leider vom Volumen, den physischen Markt um ein Vielfaches übersteigt. Pro Jahr werden mehrere Jahresproduktionen Silber per Papierform an der Terminbörse COMEX gehandelt, was auch die schwache Performance trotz 113 Millionen fehlenden Unzen erklärt.

Als sehr guter Indikator hat sich das Verhalten der Commercials in den vergangenen Jahren erwiesen. Hat diese Gruppe ihre Short-Positionen auf Silber nach oben ausgebaut, so stand Silber meist vor einer Korrektur. Im Bereich von mehr als 55.000 Shortkontrakten (siehe Chart unterer Markierung) ist also Vorsicht angesagt.

Auf der anderen Seite war Silber kaufenswert, wenn die Commercials ihre Short-Position deutlich reduziert haben. Ab einer Short-Position (per Saldo) von weniger als 20.000 Kontrakten war Silber ein Kauf und stand meist kurz vor einer Bodenbildung bzw. einer Trendwende nach oben.

Nachfolgend sehen Sie die Entwicklung dieser Netto-Short-Position der Commercials. Aktuell per 13.05.2014 liegt die Position bei 19.434 Short-Kontrakten. Wir befinden uns also nicht mehr weit von den Extremniveaus entfernt.

Zu nennen und im Chart markiert die wichtigsten Wendepunkte bzw. Verlaufstiefs in den vergangenen zwei Jahren am 26.06.2012 und 25.06.2013. Nahezu auf den Tag genau hatten die Commercials zu diesen Stichtagen eine extrem kleinen Short-Position in den Büchern, die letztendlich eine starke Gegenbewegung für Silber nach oben auslöste:

Fazit:

Fundamental sieht der Silbermarkt aus Anlegersicht vollkommen gesund aus und mit einem Angebotsdefizit von mehr als 113.000.000 Unzen Silber im vergangenen Jahr war die Ausgangslage theoretisch sehr gut.

Doch der Silber-Sektor ist klein und daher ein Spielball für die Banken und Spekulanten. Mit geringem Kapitaleinsatz von einigen hundert Millionen US-Dollar kann Silber über die US-Terminbörse in die gewünschte Richtung manipuliert und gesteuert werden.

Deshalb ist es wichtig, sich die Verhaltensmuster der Terminmarktteilnehmer genauer anzusehen und zu studieren. Die Commercials, als antizyklische Anlegergruppe, ist bei Silberpreisen unter 20 USD immer mehr dazu bereit, Short-Bestände aufzulösen und Long-Bestände zu kaufen. Dieses Verhalten war in den vergangenen Jahren oft ein gutes Signal für eine anstehende Trendwende.

Silber wurde also in den vergangenen Monaten ziemlich nah an seinen inneren Wert gedrückt, was wir ebenfalls an den relativen Preisbewegungen zum Gold gesehen haben.

In 2012 und 2013 wurden markante Preistiefs im Juni markiert. Wiederholt sich die Geschichte oder ähnelt sie sich zumindest, so hat mal als Investor noch 3-4 Wochen Zeit, bevor man sich Silber einmal ganz genau ansehen sollte!