Expertenmeinung: Schweröl-Förderer haben Aufholpotenzial

Expertenmeinung: Schweröl-Förderer haben Aufholpotenzial

Wer in diesen Tagen an die Tankstelle muss, erlebt wieder steigende Benzinpreise. Das hat Gründe: Der eskalierende Konflikt in Syrien und das drohende militärische Eingreifen der USA und Großbritanniens lassen den Ölpreis klettern. Die Börse fürchtet Produktionsausfälle in den syrischen Nachbarstaaten, wenn es zu einer militärischen Konfrontation kommt. Greift der Konflikt auf weitere Staaten der Region über, rechnen Experten sogar mit erneut deutlich steigenden Ölpreisen.

Doch der jüngste Preisschub ist nur die Spitze einer Aufwärtsbewegung des Ölpreises, die viel früher begonnen hat. Die Nordseemarke Brent befindet sich nach vorherigen starken Kursverlusten bereits seit Mitte April in einer Aufwärtsbewegung. Von 96,81 Dollar für das Barrel geht es derzeit in Richtung Jahreshoch, das bei 119,15 Dollar notiert ist. Wird der Widerstand um 119/121 Dollar übersprungen, könnte Brent im Zuge spekulativer Engagements bis auf 127/128 Dollar klettern, wo die Jahreshochs aus 2011 und 2012 zu finden sind.

Die Preisanstiege ziehen sich quer durch die verschiedenen Ölsorten, doch längst nicht alle Aktien der Ölbranche haben auf die seit mehr als vier Monaten steigenden Preise adäquat reagiert. Branchenexperte Alistair Toward von PI Financial Corp. verweist auf eine zunehmend auseinander gehende Entwicklung zwischen dem Preis für Schweröl und solchen Unternehmen, die den Rohstoff fördern. Während der Ölpreis deutlich gestiegen ist, ist der PI Heavy Oil Index, ein Index aus fünf Aktien von Schwerölproduzenten, in den vergangenen Monaten deutlich unter Druck geraten.

Solche Situationen sind bemerkenswert, vor allem im Rohstoffsektor. Hier spielt der Preis des Bodenschatzes oftmals eine entscheidende Rolle für die Ergebnisentwicklung der Unternehmen und damit auch der Aktienkurse. Die Anteilsscheine spiegeln wider, wie sich die Gewinne der Gesellschaften entwickeln. Hinzu kommen unter anderem Hoffnungen, Erwartungen und Ängste der Investoren für einzelne Unternehmen, für die ganze Branche und für die Wirtschaft. Toward kann sich deshalb vorstellen, dass derzeit ein guter Investmentzeitpunkt ist. Er rechnet damit, dass Aktien von Schwerölproduzenten nach ihrer Underperformance den Rückstand aufholen können.

Der Branchenexperte verweist auf einen entscheidenden Preisbildungsfaktor bei Schwerölproduzenten: Sie haben, vergleichen mit anderen Sparten der Ölförderbranche, einen hohen Hebel, reagieren üblicherweise sehr deutlich auf Kursschwankungen bei den Schwerölpreisen. Die Kursausschläge in dem Sektor sind stärker als in anderen Bereichen, was die Papiere gerade dann interessant macht, wenn sie sich in Sondersituationen befinden – so wie derzeit. Nach einer monatelangen Underperfomance im Vergleich zu den Ölnotierungen hat sich laut Toward besagter Nachholbedarf aufgebaut.

Treiber der Entwicklung sollen vor allem die Steigerungen sein, die der Sektor bei Kennzahlen wie dem Cashflow und den Gewinnen verzeichnen dürfte. Die Zahlen in den kommenden Quartalsbilanzen dürften schon allein aufgrund der Ölpreisentwicklung wieder nach oben zeigen. Stark gestiegene Preise bedeuten ein hohes Ergebnismomentum, insbesondere wenn ein Unternehmen vergleichsweise niedrige Kosten bei der Förderung hat. Die Mehrerlöse wandern dann fast ausnahmslos in den Gewinn, geschmälert lediglich durch Steuerzahlungen. Das ist ein gewaltiger Hebel für die Aktienkurse solcher Gesellschaften.

Hinzu kommen Kosteneinsparungen. Vor allem der Transport von Schwerölen ist ein alles andere als leichtes Unterfangen. Soll der Rohstoff durch Pipelines transportiert werden, sind chemische Zusätze notwendig, die das Öl für den Transport verflüssigen. Über andere Transportwege wie zum Beispiel die Eisenbahn kann dies zum Teil oder komplett entfallen. Eine in letzter Zeit deutlich verbesserte Infrastruktur für die Schwerölverarbeitung trägt laut Toward ebenfalls ihren Teil zu den Potenzialen für die Branche bei.

Es gibt jedoch Unterschiede zwischen den einzelnen Companys, die es zu beachten gilt. Toward rechnet damit, dass die "Thermalproduzenten" von Schwerölen sich weitaus volatiler entwickeln werden als ihre Branchenkollegen, die mit einer "Kaltflussförderung" arbeiten. Allerdings könnten solche Projekte für Investoren in der aktuellen Situation auch das interessantere Investment darstellen, mutmaßt der Experte. Toward begründet dies vor allem mit den oftmals sehr langen Laufzeiten solcher Projekte, die große Lagerstätten umfassen. Diese Bestände könnten Investoren in Zeiten steigender Preise besonders attraktiv finden.