Südamerika – ein Kontinent holt auf

Wenn heutzutage in der Wirtschaft von Wachstumsregionen gesprochen wird, dann schauen die Ökonomen meist gespannt nach Asien, in die beiden bevölkerungsreichsten Staaten China und Indien. Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in China zu globalen Veränderungen geführt haben, beispielsweise hat der rasante Anstieg der Rohstoff-Nachfrage aus China dazu geführt, dass die Preise von Erdöl, Kupfer, Kohle und Eisenerz selbst in Krisenzeiten auf vergleichsweise hohem Niveau verharren.

Oftmals fällt in diesem Zusammenhang auch der Begriff der BRIC-Staaten, wobei das Wachstum in Russland vergleichsweise niedrig ausfällt und Brasilien zwar zu dieser Vierergruppe gehört, jedoch meist bei der Erwähnung des Staatsnamens Schluss ist. Dabei ist Brasilien inzwischen die sechstgrößte Volkswirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von mehr als 2500 Mrd USD und hat inzwischen Großbritannien und Italien überholt. Mit hohem Wirtschaftswachstum von 3,5-4% schickt sich Brasilien nun an, Frankreich auf Platz 5 zu überholen und mittelfristig in der Gruppe der größten fünf Volkswirtschaften festzusetzen. Doch Südamerika besteht nicht nur aus Brasilien, auch wenn hier ca. die Hälfte der Bevölkerung von Südamerika lebt, auch andere Volkswirtschaften Südamerikas sind die Profiteure des globalen Wirtschaftswachstums. Dabei hat der Rohstoff-Reichtum dazu geführt, dass die Armut in Südamerika in deutlich zurückgegangen ist.

Zwei Länder, die sich durch besonderen Rohstoff-Reichtum auszeichnen, sind Peru und Chile. Das Wirtschaftswachstum in Chile und Peru liegt bei ca. 5% pro Jahr und wird maßgeblich von der Bergbau-Industrie getragen. Jedoch kam und kommt der wirtschaftliche Aufschwung in beiden Ländern nicht überall bei der Bevölkerung an, so dass die Armut gerade in den Regionen, die durch den Bergbau besonders zum Aufschwung beitragen, nur unwesentlich zurückging. Daher kommt es in beiden Ländern immer wieder zu langwierigen Streiks, bei denen es teilweise zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Bergarbeitern und der Polizei kam.

In Peru wurde daraufhin im letzten Jahr die konservative Regierung abgewählt und der neue Präsident Humala ins Amt gewählt. Humala, einst ein radikaler Linksnationalist, stellte zu Amtsantritt klar, dass er die Bergbau-Industrie stärker besteuern möchte und mit den zusätzlichen Einnahmen soziale Projekte vorantreiben will. Diese Ankündigung führte zunächst zu einer größeren Verunsicherung in den Bergbau-Konzernen, drohte doch im schlimmsten Fall eine Enteignung, wie sie in Venezuela unter der Regierung Chávez in den letzten Jahren stattgefunden hat. Nach der anfänglichen Irritation stellte sich aber heraus, dass die Regierung Humala die Interessen von weit links bis hin zur Mitte unter einen Hut bringen musste, um eine stabile Mehrheit hinter sich zu wissen, und so vielen die Steuererhöhungen sehr moderat aus, und ausländische Bergbau-Konzerne haben bereits angekündigt, weitere Milliarden USD in den Ausbau ihrer Aktivitäten in Peru zu stecken. Dabei macht der Export von Bergbauprodukten schon jetzt mehr als 60% der gesamten Exporte aus Peru aus, wobei die Exporte mit ca 26,5 Mrd USD die Importe in Höhe von ca. 21,1 Mrd USD deutlich übertreffen und zu einem entsprechenden Außenhandelsüberschuss von 5,4 Mrd USD führen. Auch sonst ist Peru wirtschaftlich stabil und "gesund".

Selbst im Jahr 2009, in dem die Industrieproduktion in Europa und Nordamerika aufgrund der Subprime-Krise deutlich geschrumpft ist, gab es in Peru ein Wirtschaftswachstum von 0,5%. Die Arbeitslosenquote liegt (dank des Berbau-Booms) unter 8%, die Inflationsrate bei knapp 3% und die Staatsverschuldung bei ca. 29 Mrd USD liegt, das BIP jedoch bei 126 Mrd USD, so dass Peru eine Schuldenquote von weniger als 25% des BIP aufweist. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt mit 4200 USD/Jahr bislang nur ca. ein Zehntel des Pro-Kopf-Einkommens von entwickelten Industrienationen wie Deutschland oder Kanada beträgt, die Bevölkerung ist jung und wächst noch moderat. Wenn es gelingt, mit den eingeleiteten Sozialreformen noch breitere Bevölkerungsschichten am Aufschwung partizipieren zu lassen und die Maßnahmen nicht so drastisch ausfallen, dass die ausländischen Investoren abgeschreckt werden, dann ist das Feld für Peru bestens bestellt. Wie in anderen Ländern wird der weitere Aufschwung jedoch davon abhängen, ob das mit den Rohstoffen des Lande erwirtschaftete Geld derart in das Land re-investiert wird, dass langfristig die Abhängigkeit von den Rohstoff-Exporten zurückgeht.

Ihr Manuel Giesen