Chinas Wirtschaft stabilisiert sich

Immer wieder ist in den Medien davon zu lesen, dass sich die chinesische Industrie auf Talfahrt befindet. Bezogen auf die exorbitanten Wachstumsraten von mehr als 10% in den letzten 5 Jahren mag dies sogar korrekt sein, aber alle führenden Industrienationen wären überglücklich, wenn sich ihre Wirtschaft in einer ähnlichen "Talfahrt" mit Wachstumsraten zwischen 7 und 7,5% pro Jahr befinden würde. Der heute veröffentlichte HSBC-Einkaufsmanager-Index zeigt sich gegenüber dem August Wert geringfügig verbessert, so dass man von einer Stabilisierung des Wirtschaftswachstums auf diesem Niveau ausgehen kann.

Das Wachstum in China hat inzwischen gewisse Grenzen erreicht, denn trotz Mega-Investitionen kann die Infrastruktur nicht mit dem Wirtschaftswachstum schritthalten. In Shanghai wird inzwischen, um das Verkehrschaos einzudämmen, eine Zulassungsgebühr von umgerechnet etwa 7500 Euro verlangt, in anderen Großstädten wie Peking werden Nummernschilder verlost, um die Zulassungszahlen zu kontrollieren. Auch wenn sich die Dynamik im chinesischen Fahrzeugmarkt dadurch abschwächen wird (25 -30% Wachstum in der Vergangenheit sind sicherlich nicht aufrecht zu erhalten), so rechnen Experten damit, dass sich das Wachstum nun in andere Regionen des Landes, insbesondere den bislang vergleichsweise wenig entwickelten Westen des Landes verlagert, aber weiterhin bei 7-10% liegt. Im Jahre 2011 betrug die Fahrzeugproduktion in China etwa 18 Millionen PKW, und 7% Wachstum auf diesem inzwischen sehr hohen Niveau sind immer noch eine starke Hausnummer. Schon jetzt sind ca. 60 Millionen Fahrzeuge auf den Straßen Chinas unterwegs, wobei dies einem Verhältnis von ca. 21 Einwohnern pro Auto entspricht (zum Vergleich liegen entwickelte Nationen wie Deutschland bei etwa 2 Einwohnern pro Auto, also etwa dem Zehnfachen).

Die Verkehrsinfrastruktur wird weiterhin massiv ausgebaut, und dafür werden natürlich jede Menge Rohstoffe gebraucht. Selbst wenn man das Tempo kennt, mit dem Bauaktivitäten in China ausgeführt werden, so konnte der Straßenbau bei einem jährlichen Wachstum des Fahrzeugmarktes von mehr als 25% nicht damit schritthalten und endlose Staus in den Metropolen wie Shanghai oder Peking sind die Folge dieses zügellosen Wachstums.

Durch die jüngste Abkühlung des Wirtschaftswachstums ist auch die Inflation in China deutlich zurückgegangen, und liegt derzeit nur noch bei ca. 3%. Auch wenn die Lohnentwicklung sich zuletzt ebenfalls abgeschwächt hat, liegen die Lohnzuwächse weiterhin deutlich über der Inflationsrate, was vor allem der Binnennachfrage in China zu gute kommen wird. Gerade hier besteht und wächst bei einem Volk von ca. 1,3 Mrd. Menschen (mehr als in Nordamerika und Europa zusammen) ein gewaltiger Absatzmarkt, der das Weltwirtschaftswachstum in den nächsten Jahren entsprechend stimulieren wird.

Auch wenn sich das Wachstum abgeschwächt hat und vermutlich erst mal im Bereich von ca. 7,5% pro Jahr stagnieren wird, so ist zu beachten, dass dieses Wachstum inzwischen von einem deutlich höheren Ausgangsniveau erfolgt. Die chinesische Regierung agierte hier in der Vergangenheit stets überlegt, aber zielstrebig und entschlossen, so dass unlängst ein neues Konjunkturprogramm zum Ausbau der Infrastruktur beschlossen wurde, was zwar wohl nicht den Umfang des "Krisenprogramms" 2009 nach der Lehman-Krise erreichen wird, aber gezielt und am richtigen Ort zur Schaffung der Grundlage für weiteres Wachstum investiert wird.

Ihr Manuel Giesen