Platin- und Palladiummärkte im Umbruch: Engpässe treffen auf geopolitische Spannungen
Die angespannte Lage auf den globalen Märkten für Platin und Palladium hat eine neue Eskalationsstufe erreicht: Der südafrikanisch-US-amerikanische Bergbaukonzern Sibanye-Stillwater (ISIN: US82575P1075, WKN: A2P0BU) hat offiziell die US-Regierung aufgefordert, Importzölle auf russisches Palladium zu erheben. Die Maßnahme zielt nach Angaben des Unternehmens darauf ab, "dumpingverdächtige" Lieferungen aus Russland zu unterbinden und damit die Wettbewerbsfähigkeit der US-amerikanischen Produktion von Platingruppenmetallen (PGMs) langfristig zu sichern.
"Russisches Palladium wird seit dem Ukraine-Krieg systematisch unter Marktwert verkauft", sagte Neal Froneman, CEO von Sibanye-Stillwater in einem Statement auf der Website des Unternehmens. Eine Entscheidung über den Antrag dürfte laut Reuters innerhalb der nächsten 13 Monate fallen. Der Schritt erfolgt vor dem Hintergrund eines insgesamt angespannten Angebotsmarkts, der bereits durch eine schwache Produktion in Südafrika und geringe Handelsliquidität belastet ist. Analysten wie Heraeus warnen, dass ein solcher Zoll zwar nicht zwangsläufig das Marktgleichgewicht verändert, jedoch zu einer Umleitung physischer Metallströme führen und dadurch erhebliche Preisvolatilität auslösen könnte.
Chinesische Nachfrage und US-Lagerhaltung treiben den Markt auf neue Höhen
Parallel zur politischen Dynamik rund um russisches Palladium erlebt der Platinmarkt eine außergewöhnliche Phase struktureller Knappheit. Laut Bloomberg haben Banken und Händler Mühe, ausreichende Mengen des Metalls in London zu sichern, da sowohl die USA als auch China große Mengen aus dem verfügbaren Angebot aufkaufen. In den vergangenen drei Wochen wurden rund 290.000 Unzen Platin in US-Lagerhäuser eingelagert – deutlich mehr als die 215.000 Unzen, die Investoren im selben Zeitraum aus börsengehandelten Fonds (ETFs) abgezogen haben.
Insbesondere die chinesische Nachfrage ist bemerkenswert: Mit über 1,2 Millionen Unzen allein im zweiten Quartal hat China einen historischen Höchststand erreicht. Dabei bleibt unklar, ob diese Käufe der industriellen Nachfrage entsprechen oder vielmehr einem strategischen Vorratsaufbau dienen. Peking hat kürzlich Exportkontrollen für Edelmetalle verschärft und erlaubt nur staatlich kontrollierten Akteuren wie der China Platinum Co steuerbegünstigte Importe. Auch die bevorstehende Einführung von Platin-Futures an chinesischen Börsen könnte die Nachfrage weiter anheizen.
Leasingraten explodieren – Produktionsanreize bleiben gering
Die angespannte Versorgungslage schlägt sich deutlich in den kurzfristigen Finanzierungskosten nieder. Die einmonatige Leasingrate für Platin liegt nach einem Hoch von über 35 Prozent im Juli weiterhin deutlich über der historischen Norm von nahezu null. Diese Raten, die den Jahreszins für kurzfristige Platin-Leihgeschäfte abbilden, treffen vor allem industrielle Nutzer wie die Chemie- und Glasindustrie, für die Leasing eine bevorzugte Beschaffungsform darstellt. Laut dem World Platinum Investment Council wirkt sich diese Kostenexplosion auf nahezu alle Marktteilnehmer aus.
Trotz eines Preiszuwachses von rund 45 Prozent seit Jahresbeginn bleibt die Förderung unter Druck. Craig Miller, CEO des Bergbauunternehmens Valterra Platinum (ISIN: ZAE000013181, WKN: 856547) bezifferte die Gewinnschwelle für neue Produktionsinvestitionen auf ein Preisniveau, das etwa 50 Prozent über dem aktuellen Marktwert von 1.320 US-Dollar pro Unze liegt. Damit bleibt das Angebot kurz- bis mittelfristig begrenzt – ein Umstand, der laut Analysten wie Marwan Younes von Massar Capital die Basis für potenziell "heftige Preissprünge" bildet.
Ein fragiles Gleichgewicht in einem geopolitisch sensiblen Markt
Die strukturelle Angebotsverknappung bei Platin trifft auf einen zunehmend politisierten Markt für Palladium. Während beide Metalle entscheidend für Abgaskatalysatoren in Verbrennungsmotoren sind, sehen sich Produzenten mit tiefgreifenden Unsicherheiten konfrontiert – von geopolitischen Spannungen bis zu tarifären Eingriffen. Russland, das mit Nornickel rund 40 Prozent der weltweiten Palladiumförderung stellt, bleibt trotz Sanktionen bislang vom US-Zollregime verschont. Doch ein Kurswechsel in Washington könnte die Karten neu mischen.
Zudem stehen sowohl Platin als auch Palladium im Spannungsfeld zwischen der Elektrifizierung des Verkehrssektors und ihrer fortbestehenden Rolle in der Automobil- und Chemieindustrie. Analysten rechnen laut einer Reuters-Umfrage damit, dass die Palladiumpreise 2025 erstmals seit vier Jahren wieder zulegen könnten – getragen von einer möglichen Fortsetzung der Platin-Rally.
Die derzeitige Gemengelage lässt wenig Raum für Entspannung. Während Investoren verstärkt auf strategische Lagerhaltung setzen, bleibt der physische Markt anfällig für plötzliche Engpässe und politische Eingriffe. In einem Marktumfeld, das zunehmend von geopolitischen Überlagerungen geprägt ist, dürften sowohl Angebot als auch Preisentwicklung in den kommenden Monaten von exogenen Faktoren bestimmt werden. Der Ruf nach Zollschutz für US-Produzenten ist dabei nur ein Symptom einer tiefergehenden globalen Umwälzung in den Märkten für kritische Metalle.