China drosselt Mineralienexporte und zwingt Westen zum Handeln

Die chinesische Regierung hat ihre Exportkontrollen für kritische Rohstoffe in den vergangenen Monaten deutlich verschärft – mit erheblichen Auswirkungen auf westliche Industrien. Besonders betroffen ist die Verteidigungsbranche in den USA, aber auch die europäische Windkraftindustrie sieht sich gezwungen, strategische Abhängigkeiten zu überdenken. Die Maßnahmen Pekings zeigen eindrücklich, wie zentral China für globale Lieferketten bei Seltenen Erden und weiteren Hightech-Metallen ist.
Wie das Wall Street Journal am 3. August 2025 berichtete, erlaubt China seit Anfang des Jahres Exporte Seltener Erden nur noch unter strengen Auflagen. Zwar wurden nach Zugeständnissen der US-Regierung im Juni einige zivile Anwendungen wieder genehmigt, doch militärisch relevante Lieferungen unterliegen weiterhin faktischen Blockaden. So müssen Importeure inzwischen detaillierte Nachweise über die Endverwendung der Materialien liefern – einschließlich Zeichnungen, Produktbildern und Produktionsstandortinformationen. Westliche Abnehmer, die diese Informationen aus sicherheits- oder wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht offenlegen wollen, sehen sich mit abgelehnten oder stark verzögerten Lieferungen konfrontiert.
Rüstungsindustrie zahlt Aufschläge in Rekordhöhe – Lieferungen verzögern sich
Die Folgen dieser Politik sind dramatisch. Laut dem WSJ musste ein US-amerikanischer Hersteller von Drohnenteilen seine Auslieferungen um bis zu zwei Monate verschieben, nachdem sein chinesischer Lieferant die Lieferung von Permanentmagneten – gefertigt aus Seltenen Erden – verweigerte. Ähnliche Schwierigkeiten betreffen auch andere Komponentenhersteller, die etwa Magnete für Raketensysteme oder Nachtsichtgeräte benötigen.
Die Preisentwicklung auf dem Spotmarkt zeigt die wirtschaftliche Brisanz: Rohstoffhändler berichten, dass bestimmte Seltenerdmetalle mittlerweile fünf- bis sechzigfache Preisaufschläge gegenüber dem Vorjahr erzielen. Für das temperaturbeständige Metall Samarium, das in Jettriebwerken verbaut wird, wurde einem Unternehmen laut WSJ ein Preis angeboten, der 60-mal über dem früheren Niveau lag.
Besonders besorgniserregend ist die Situation bei Germanium, einem Schlüsselmaterial für Infrarotsensoren. Der CEO von Leonardo DRS, einer US-Tochter des italienischen Rüstungskonzerns Leonardo, warnte Anfang August in einer Analystenkonferenz, dass man nur noch auf sogenannte Sicherheitsbestände zurückgreifen könne. "Um pünktliche Auslieferungen sicherzustellen, muss sich die Versorgungslage in der zweiten Jahreshälfte 2025 deutlich verbessern", sagte Bill Lynn laut WSJ.
Deutschland setzt mit "De-Risking" auf neue Rohstoffpartnerschaften
Auch in Deutschland wächst das Bewusstsein für die Risiken einseitiger Rohstoffabhängigkeiten. Am 5. August veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium eine neue Rohstoffstrategie, deren Ziel es ist, die Abhängigkeit von China bei der Beschaffung von Komponenten für Windkraftanlagen – insbesondere für Permanentmagnete – bis 2035 deutlich zu reduzieren.
Laut Reuters deckt China derzeit rund 90 Prozent des globalen Bedarfs an Permanentmagneten ab, die nicht nur in Windturbinen, sondern auch in Elektrofahrzeugen, Maschinenbau und Rüstung eingesetzt werden. Da Deutschland seine Offshore-Windleistung bis 2030 auf 30 Gigawatt verdreifachen will, steigt auch der Rohstoffbedarf erheblich. Die nun veröffentlichte Roadmap sieht vor, bis 2030 mindestens 30 Prozent, bis 2035 sogar 50 Prozent der benötigten Magnete aus alternativen Quellen wie Australien und Japan zu beziehen. Zur Unterstützung dieser Ziele sollen Investitionsgarantien und langfristige Lieferverträge dienen, so das Bundeswirtschaftsministerium gegenüber Reuters.
Branchenanalysten wie Dr. Carola Thiele vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung begrüßen die Initiative grundsätzlich, weisen aber auf die lange Vorlaufzeit und den hohen Kapitalbedarf hin. "Die Rohstoffsicherung erfordert strategische Kooperationen, industrielle Skalierung und vor allem politischen Willen – sonst bleibt sie Symbolpolitik", so Thiele in einem Kommentar.
Strategische Rohstoffsicherung wird zur industriepolitischen Herausforderung
In den USA verfolgt das Verteidigungsministerium bereits ähnliche Ziele. Das Pentagon investierte im Juli 400 Millionen US-Dollar in den Bergbaukonzern MP Materials (ISIN: US5533681012, WKN: A2QHVL) der die größte Seltenerd-Mine der westlichen Hemisphäre betreibt. Ziel ist der Aufbau einer vollständigen Wertschöpfungskette für Magnetmaterialien – von der Mine bis zur Weiterverarbeitung. Weitere Fördermittel fließen in kanadische Unternehmen zur Herstellung von Germaniumsubstraten sowie in US-Startups wie Phoenix Tailings und USA Rare Earth (ISIN: US91733P1075, WKN: A412UH).
Trotz dieser Initiativen bleibt die Lage angespannt. Die meisten westlichen Verteidigungsunternehmen verfügen über keine eigenen Rohstofflager und sind auf ihre Zulieferer angewiesen – die wiederum häufig auf chinesische Quellen zurückgreifen. Laut der US-Datenplattform Govini enthalten mehr als 80.000 Komponenten des US-Verteidigungsministeriums kritische Rohstoffe, die aktuell unter chinesischen Exportbeschränkungen stehen. Praktisch jede Lieferkette sei an irgendeinem Punkt mit China verknüpft, so Govini gegenüber dem WSJ.
Ein besonders illustrativer Fall: Im April hielt der chinesische Zoll eine Lieferung von 55 Tonnen Antimon – einem strategischen Metall für Munitionsherstellung – im Hafen von Ningbo drei Monate lang zurück. Der US-Hersteller United States Antimony Corporation musste schließlich akzeptieren, dass die Lieferung nicht wie geplant nach Mexiko, sondern zurück nach Australien verschifft wurde. Die Charge wurde dabei offenbar geöffnet – laut CEO Gary Evans ein beispielloser Vorgang, der zu Bedenken hinsichtlich möglicher Manipulationen führte.
Rohstoffe als geopolitisches Druckmittel – aber auch als Treiber für Innovation und Partnerschaft
Die aktuellen Spannungen rund um kritische Rohstoffe verdeutlichen, wie verletzlich globalisierte Lieferketten sein können – bieten aber zugleich die Chance für einen strukturellen Wandel. Sowohl in den USA als auch in Europa werden derzeit strategische Grundlagen geschaffen, um sich resilienter und unabhängiger aufzustellen.
Die geplanten Investitionen, neuen Partnerschaften mit rohstoffreichen Demokratien und der technologische Fortschritt bei der Verarbeitung und Substitution kritischer Metalle zeigen, dass es Alternativen zur bisherigen Abhängigkeit gibt. Staaten, Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten enger zusammen als je zuvor, um Innovationen zu fördern und neue Wertschöpfungsketten aufzubauen.
Auch wenn kurzfristige Engpässe und Kostensteigerungen unvermeidlich erscheinen, eröffnen sich langfristig neue Perspektiven für eine strategisch abgesicherte, nachhaltige und diversifizierte Rohstoffversorgung – eine Entwicklung, die sowohl wirtschaftlich als auch geopolitisch Stabilität fördern kann.