Kanadas Energieproduzenten setzen auf Erdgas

Energieproduzenten in der kanadischen Provinz Alberta verlagern ihren Fokus auf Erdgas, weil der globale Handelskrieg und ein OPEC+-Plan zur Produktionssteigerung die Rohölpreise in den Keller drücken.
Mehr Gas- und weniger Ölbohrungen
Die Zahl der im ersten Quartal erteilten Lizenzen für neue Gasbohrungen stieg gegenüber dem Vorquartal um 26 % auf 308 und damit den höchsten Quartalswert seit zwei Jahren, wie BNN Bloomberg unter Berufung auf Daten der Regulierungsbehörde berichtet. Bei Ölbohrungen sank die Zahl dagegen um 24 % auf 293 und damit den niedrigsten Stand seit 2021.
Die tarifären Unsicherheiten sind für Kanada – viertgrößter Ölproduzent und fünftgrößter Gasproduzent der Welt – äußerst relevant, da ein Großteil der Öl- und Gasproduktion in die USA geliefert wird.
Die Ölpreise sind jedoch deutlich gefallen: WTI Öl gab seit dem Amtsantritt von Donald Trump um etwa 25 % auf nur noch 60 USD nach. Das kanadische Western Canadian Select wird mit einem Abschlag zu WTI gehandelt und kostet derzeit nur 48 USD pro Barrel. Noch am 02. April lag der Preis bei knapp 62 USD.
Ölpreise fallen, Gaspreise steigen
Gleichzeitig ist der Erdgaspreis in Kanada in diesem Zeitraum von etwa 1,50 Dollar auf rund 2 Dollar pro Gigajoule gestiegen. Dies liegt auch daran, dass das erste LNG-Exportterminal nach einiger Verzögerung nun in den Startlöchern steht und mehr Flüssigerdgas auf den Weltmarkt exportiert wird. Dadurch sinkt das Angebot in Kanada, weil Kapazitäten in Richtung der asiatischen Märkte umgeleitet werden.
Das Projekt – LNG Canada – ist ein Joint Venture zwischen Shell (40 %), der malaysischen Petronas (25 %), Mitsubishi (15 %), Korea Gas (5 %) und PetroChina (15 %). Die Anlage soll täglich 1,9 Milliarden Kubikfuß Erdgas verarbeiten – ein erheblicher Anteil der kanadischen Produktion im Umfang von 18,1 Mrd. Kubikfuß 2024.
Die Inbetriebnahme von LNG Canada war ursprünglich für Ende 2024 geplant, verzögerte sich jedoch. Derzeit läuft eine Testphase, Mitte 2025 soll der reguläre Betrieb starten.
Der Verkauf von LNG nach Asien ist aus Sicht der Exporteure im derzeitigen Umfeld sehr attraktiv. China hat LNG-Käufe in den USA im Zuge der Zoll-Streitigkeiten eingestellt. Auch in anderen asiatischen Ländern dürfte die Nachfrage weiter wachsen.
Dem kanadischen Energiemarkt steht ein Shift bevor
Auf dem nordamerikanischen Gasmarkt steht ein Shift bevor. Im Gegensatz zu den meisten anderen Erdgasexporteuren war Kanadas Sektor bislang im Wesentlichen auf einen einzigen Kunden beschränkt: Die Vereinigten Staaten.
Doch aufgrund der Streitigkeiten suchen kanadische Unternehmen neue Märkte. Neben Asien könnte dabei auch Europa eine Rolle spielen, das immer noch mit der Abkopplung von russischen Gaslieferungen und daraus entstandenen Engpässen kämpft.
Dafür ist jedoch eine Neuausrichtung der Politik erforderlich. Bislang galt die Haltung des ehemaligen Premierministers Justin Trudeau und seines Rohstoffministers Jonathan Wilkinson, der zufolge es in Kanada kein Geschäftsmodell für LNG gebe.
Das Institute for Research on Public Policy stellt deshalb konkrete Forderungen an die neue kanadische Regierung, um eine Diversifizierung der kanadischen Exportmärkte zu erreichen: Die "die ineffektive Bevorzugung von grünem Wasserstoff gegenüber Erdgas" müsse rückgängig gemacht und der "Bau von Pipelines aus Westkanada zu neuen Anlagen für den Export von Flüssigerdgas (LNG) mit potenziellen Routen nach Europa" müsse erleichtert werden.