Aktueller Blick auf die Lithium-Branche - Branchen-Insider Joe Lowry fasst das erste Halbjahr 2017 zusammen

Aktueller Blick auf die Lithium-Branche - Branchen-Insider Joe Lowry fasst das erste Halbjahr 2017 zusammen

Joe Lowry ist einer der führenden Experten für den Lithium-Markt. Aktuell arbeitet er für Global Lithium LLC und blickt auf langjährige Erfahrung bei FMC und Asia Lithium zurück. Pünktlich zum Ende des zweiten Quartals 2017 zieht er eine persönliche Bilanz für das erste Halbjahr 2017 und äußert eigene Prognosen. Lowry merkt dabei an, dass seine Marktbewertung subjektiv sei und keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit erhebe, zumal die Zahlen für das zweite Quartal noch gar nicht vorliegen. Er nehme also eine eher qualitative denn eine quantitative Bewertung vor.

Lithium scheint neue Aufmerksamkeit zu genießen, urteilt man nach dem regen Interesse auf der Lithium Supply and Markets- Tagung Anfang Juni und angesichts dessen, dass momentan auch vermehrt Berichterstattung zum Thema in den Fachmedien stattfindet. Nichtsdestotrotz und ungeachtet steigender Nachfrage für Lithium-Chemikalien ist die Lithium-Produktion im Weltmarkt noch eine relativ übersichtliche Sparte. Lowry beklagt, dass potentielle Investoren, sowohl auf der Produzenten- als auch auf Ankäuferseite zunehmend durch Desinformationen verunsichert werden, die einzelne Mayors der Lithium-Branche selbst lancieren, indem sie behaupten, der aktuelle Lithium-Hype ginge direkt von den aufstrebenden Junior-Unternehmen sowie von fragwürdigen Forschungsprojekten und Förderungen durch die Banken aus.

Finanzanalysten hatten prognostiziert, dass sich im Jahr 2017 ein Überangebot an Lithum entwickele, was unmittelbar zu einem Preisverfall führe. Aufhänger zu dieser These waren unkorrekte Annahmen darüber, wie schnell die Start-Ups von Mt. Cattlin und Mt. Marion die Produktion aufnehmen würden. Beide Projekte sind zwischenzeitlich in Betrieb – ein wichtiger Schlüsselfaktor, um den Markt im Gleichgewicht zu halten, bevor er in Richtung Überproduktion umschlägt.

Im dritten Quartal wird, so Lowry, die Preisgestaltung in China eher steigen als sinken, und zwar in Richtung des oberen Zehnerbereichs für Lithiumcarbonat und etwas höher für Lithiumhydroxid. Sobald der in Chile ansässige Lithiumproduzent SQM , der größte Versorger außerhalb von China, seine Zahlen für das zweite Quartal veröffentlicht, wird sich zeigen, was mit den Preisen geschieht. Wahrscheinlich wird der Kurs aber stabil bleiben und sich beim Carbonat innerhalb einer Preisspanne zwischen 12 und 14 USD/ Kilo, beim Hydroxid zwischen 18 bis 22 USD/ Kilo einpendeln. Die Hydroxid-Preise in den kleinen Märkten sind von den letztjährigen Höchstwerten im mittleren Zwanziger-Bereich gesunken; das ist aber eher dem sinkenden Kaufinteresse denn der Überversorgung geschuldet.

Ferner sollte nach China direktverschifftes Erz aus Australien entgegen der Prognose der Deutschen Bank (die Lowry übrigens für eine falsche Fährte hält) keinen größeren Einfluss auf die Preise oder das Angebot haben. Sofern die Preisgestaltung über das Jahr hinweg stabil bleibt, sollten auch die Finanzergebnisse auf ganzer Linie gut aussehen.

Albemarle

Viele große Investoren stehen dem amerikanischen Unternehmen Albermale (ambivalent gegenüber. Der Aufwärtstrend der Aktienkurse ist attraktiv, zugleich können sie aber den Fehlschlüsse der ALB Geschäftsführung nicht folgen. Durch den globalen Betrieb und das nachgelagerte Lithiumgeschäft gelingt es ALB, die Details seiner vorgelagerten Lithiumpreise intransparent zu halten. Nach Lowrys Ansicht dürften die vorgelagerten Preise immer noch unter dem Marktniveau liegen, so dass ALB sie im Lauf der nächsten Quartale anpassen kann. Diese Strategie würde auch von einem unwahrscheinlichen kurzzeitigen Preisabschwung nicht beeinflusst werden.

Nach der Wachstumsstagnation von 2016 werden die verbesserten Lithium-Ergebnisse 2017 auch eine Volumenkomponente haben. ALB lässt nicht viel über sein Mengenwachstum verlauten; vermutlich wird jedoch das vorsichtig prognostizierte Wachstum von LaNegra2 und China eintreffen. In einigen Jahren werden stürmische Zeiten für ALB beginnen, wenn klar wird, dass sie an weniger als 20% des Wachstums teilhaben statt, wie ursprünglich angekündigt, an 50%. Noch ernster sei, dass ALB sein Wachstum auf eine Kapazität 160.000 MT Lithiumcarbonat-Äquivalenten aus den bestehenden Ressourcen in Chile und Australien (via China) unterschwingen werde. Es gibt Schwierigkeiten mit den Expansionen in Atacama und Talison, sowohl bezüglich der Perspektiven für die Ressourcen als auch der Ausführung. Trotz ALBs langjähriger Erfahrung durch die Vorgängerunternehmen Rockwood, Chemetall und Foote ist das amtierende Management noch unerfahren – das sollten Investoren berücksichtigen behalten.

SQM

SQM in Santiago/ Chile wird von pragmatisch handelnden Ingenieuren gelenkt, die sich auf die Projektdurchführung konzentrieren. Maßgeblich ist, dass SQM die Lithium-Produktion zwischenzeitlich nicht mehr nur als Nebenprodukt sieht. SQM tritt als Lithium-Unternehmen auf und nicht mehr als Kalium-Karbonat-Förderer, der nebenbei Lithium zum Verschieben gewinnt. SQM produziert bereits seit den 199oer Jahren Lithium, verlagert nun aber den Fokus, indem in Vermögenswerte außerhalb von Chile investiert wird. Das ist ein zukunftsträchtiges Ereignis in der Firmenentwicklung. Besonders die Erweiterung in Cauchari sollte man als Investor im Auge behalten – sie könnte das übertreffen, was zeitgleich von ALB produziert wird.

Ganfeng

Der chinesische Konzern Ganfeng wandelt sich derzeit vom globalen Lithium-Beschaffer und Verarbeiter zum vollwertigen großen Lithium-Ressource-Unternehmen mit weltweiten Vermögenswerten: In Australien mit Hartgestein und einem Übernahmeangebot mit LAC sowie dem Besitz anderer Sole und Hartgesteinliegenschaften in Frühstadien. Ganfeng hat realistische Aussichten, im kommenden Jahrzehnt der weltweit größte Lithiumcarbonat-Äquivalent -Produzent zu sein. Nebenher hat Ganfeng auch eine hochmoderne Batterie-Produktionsanlage gebaut und ist auch auf dem Gebiet des Batterierecycling aktiv.

Tinaqi

Tinaqi sei erfolgreicher darin, Geschäfte abzuschließen als Lithium-Operationen durchzuführen. Die kommenden Jahre werden ausschlaggebend für die weitere Entwicklung sein. Tianqi mischt derzeit mit einem Großprojekt in Australien ein wenig in der Kapazität als auch der Qualität auf dem Hydroxidmarkt mit. Die Haltung des Unternehmens sei zu selbstsicher, bekunden jene, die an dem Projekt arbeiten. In der Theorie ist die Chemie für Hydroxid einfach, aber noch kann niemand wissen, wie die Dinge sich für Tinaqi in der Realität darstellen werden.

FMC

Das Chemienuternehmen FMC war in der Vergangenheit in der Frage unsicher, was mit Lithium geschehen solle. Nachdem sie kein echtes Geld in das leichteste Metall investieren wollten, hat FMC "Aktivposten light" mit Lithium geschaffen, indem in China eine Lithium-Hydroxid-Kapazität angelegt wurde. Annahme für die Beschaffung des Ausgangsmaterials für eine stufenweise 20.000 MT-Hydroxyd-Erweiterung war, dass Lithiumcarbonat bis 2018 im Überangebot sein würde. Das jedoch wird in den nächsten fünf Jahren nicht geschehen. Ungünstigerweise befinden sich, abgesehen von einem kleinen Solebetrieb in Argentinien, die Lithiumvermögenswerte von FCM entweder in Nischensegmenten wie Butyllithium oder sind veraltet.

Die Junioren

Lithium Americas hat wohl am meisten unter Lustlosigkeit und Zynismus der Investoren zu leiden. Trotz zweier langfristiger strategischer Partnerschaften mit SQM und Ganfeng und gesicherter Finanzierung für ihren Anteil an der Weiterentwicklung von Cauchari, war das Interesse der Investoren überraschend gering.

Galaxy Resources Mt. Cattlin-Projekt ist in Betrieb gegangen und bietet eine attraktive Preisgestaltung. Parallel dazu wird die Entwicklung von Sal de Vida vorangetrieben.

Orocobre hatte mit Startschwierigkeiten zu kämpfen und produziert derzeit mit weniger als 10.ooo MT Lithiumcarbonat-Äquivalent weit unter Kapazität und noch mit vereinzelten Qualitätsproblemen. Der höhere Carbonat-Preis gleicht das aber zu einem gewissen Grad wieder aus.

Pilabra Minerals hat sich soeben eine neue Finanzierung gesichert und kann nun weiter voran kommen.

Nemaska begeistert mit seiner Technik und seinem Potential, die Hydroxid-Kostenkurve zu ändern und bei Bedarf die Weiterentwicklung in Stufen zu vollziehen. Die größte Herausforderung ist hier nach wie vor die Finanzierung.

North American Lithiums Hoffnung auf eine Weiterentwicklung der eher mittelmäßigen Ressource zu einem Erfolg auf Grundlage des günstigen Markes und Unterstützung aus Quebec hat sich nicht erfüllt. Die Geschäftsführung des neuen Eigentümers Jilin Jien ist deutlich überfordert. Das ist besorgniserregend für die kanadische Regierung, da eine weitere Lithium-Pleite für die globale Marktlage schlecht wäre.

Lowry fasst zusammen, die erste Jahreshälfte sei durch einen paradoxen Analystenbericht der Deutschen Bank befeuert worden, wonach das direkt versendete Erz ein Überangebot verursache. Die Auswirkung dieses Berichtes hatte starke Auswirkung auf die Aktienkurse der Junioren. Lowry rät Investoren zu größter Sorgfalt bei der Wahl der Informationsquellen: Falschmeldungen seitens wichtiger Stellen können großen Schaden verursachen. Vertrauenswürdiger seien immer die Aussagen unabhängiger Analysten. Die zweite Jahreshälfte verspricht jedoch, interessant zu werden: Die Nachfrage wird ansteigen, aber die Entwicklung des Angebots ist noch völlig offen. Lowry empfiehlt, die Sendungen nach China, die Baufortschritte bei Cauchari und PLS und Galaxys nächsten Schritt bei SDV im Auge zu behalten, anstatt sich um die Preise zu sorgen – alle Produzenten werden ihre Sache in den nächsten Jahren gut machen.