Recruiting in der Bergbauindustrie
Nicht nur eine Frage des Gehalts
Bei kaum einem Thema ist die kanadische Gesellschaft so gespalten wie beim Bergbau. Die einen sehen in ihr einen Heilsbringer, der den wirtschaftlichen Aufschwung Kanadas trägt, andere sehen sie als Fluch, der Menschen in immer entlegenere Teile des Landes treibt und sie dort die Natur zerstören lässt.
Die kanadische Bergbauindustrie beschäftigt ca. 308.000 Menschen, d.h. etwa jeder fünfzigste Arbeitsplatz in Kanada hängt an diesem Sektor. Die Gehälter in der Bergbaubranche liegen deutlich über dem kanadischen Durchschnitt, so erhält ein Mitarbeiter eines Bergbau-Betriebes monatlich etwa 6800 kanadische Dollar (das entspricht ca. 5000 Euro). Damit wird in diesem Sektor beispielsweise deutlich mehr verdient als in der Forstwirtschaft, der verarbeitenden Industrie, dem Baugewerbe oder dem Bankensektor. Die Bergbauindustrie benötigt jährlich ca. 10.000 neue Arbeitskräfte, um bestehende Stellen zu ersetzen und neugeschaffene Stellen zu besetzen. Auch wenn die Dynamik beim Schaffen neuer Stellen zuletzt deutlich nachgelassen hat, so ist auch in absehbarer Zukunft ein entsprechend hoher Fachkräftebedarf vorhanden.
Trotz entsprechend hoher Gehälter und guter Perspektiven in den nächsten Jahren stehen die Personalverantwortlichen vor großen Herausforderungen bei der Besetzung der Stellen. Zum einen muss ein alternde Belegschaft mit entsprechendem "frischen Blut" versorgt werden, zum anderen steigen die Anforderungen an die Qualifikation der Bergbauarbeiter und meist finden sich die Arbeitsplätze nicht in der Nähe der großen Städte (kanadische Städte wie Vancouver oder Toronto gelten weltweit als Städte mit der höchsten Lebensqualitität), sondern weit weg in den Weiten der kanadischen Wälder und Seen. Zudem ist die Arbeit in den Minen oft körperlich sehr anstrengend und aufgrund der Belastungen (z.B. durch Staub) nicht gerade förderlich für die Gesundheit.
Die Bergbauindustrie ist schon lange über das Stadium hinaus, in dem mit Spitzhacke und Schaufel Erz aus dem Felsen geschlagen wurde. Es ist eine komplexe Industrie die hochgradig technologisiert ist und kaum mehr Arbeitsplätze für unqualifizierte oder angelernte Arbeitskräfte bietet. Der gesuchte Bergbauarbeiter benötigt Kenntnisse als Ingenieur, Geologe, in den Verarbeitungsprozessen und im Umweltschutz. Um sich in diesem komplexen Arbeitsfeld dauerhaft etablieren zu können, setzt dies die stetige Bereitschaft zur Fortbildung, aber auch zu Umzügen voraus.
Hin und wieder werden populistische Stimmen laut, die fordern, Arbeitslose sollten doch verstärkt an die Bergbauindustrie vermittelt werden. Zum einen ist es sicherlich nicht jedermanns Sache, in einer Mine zu arbeiten, aber auch bei den interessierten Arbeitslosen scheitert es oftmals an der Qualifikation.
Die Bergbauindustrie muss realistisch dargestellt werden und ein entsprechendes Bild in die Köpfe der Menschen bekommen. Die Chance als unqualifizierter Arbeiter schnell reich zu ist wenig realistisch. Andererseits lassen Karrieren im Bergbau mit der entsprechenden Ausbildung realisieren, und aufgrund der demographischen Strukturen sind die Chancen nach wie vor hervorragend. Die Industrie wünscht sich eine stärkere Verzahnung von Studium und Jobs, da immer wieder festzustellen ist, dass Absolventen nicht die notwendigen Fachkenntnisse mitbringen oder mit falschen Vorstellungen in den Beruf starten.
Was muss die Bergbauindustrie tun, um die Jobs attraktiver zu gestalten? Die heutigen Absolventen schauen nicht mehr ausschließlich nach dem Gehalt, sondern wünschen sich eine ausgeglichene Work/Life-Balance, Weiterbildungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Dabei geht es nicht nur um das Job-Recruting, sondern auch darum, gute und hochqualifizierte Arbeitskräfte, welche auf dem Arbeitsmarkt sehr begehrt sind, langfristig an das eigene Unternehmen zu binden. Und es werden dringend Strategien gesucht, die klassische Männerdomäne Bergbau auch für Frauen interessant zu machen. Zudem müssen die Unternehmen nach Mitteln und Wegen suchen, die Ureinwohner, denen oftmals entsprechende Rechte in den Gebieten eingeräumt sind, besser in ihre Bergbauprojekte zu integrieren.
Zum Abschluss sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Unternehmen kontinuierliche Anstrengungen unternehmen müssen, um die gesundheitliche Belastung der Mitarbeiter und die Belastung der Umwelt zu reduzieren und die Arbeitssicherheit weiter zu verbessern. Nichts ist so wichtig wie die Sicherheit, am Ende des Tages gesund und wohlbehalten nach Hause gehen zu können.
Ihr Manuel Giesen