Rohstoffe: Der Markt macht viele Fehler
An der Börse differenziert man selten. Wenn Gold fällt, fallen viele andere Rohstoffe auch, steigt Gold, steigen sie mit. Differenzierung ist anstrengend, macht Arbeit beim Research und kostet viel Zeit. Doch sie ist notwendig, gerade im Rohstoffsektor. Denn während Bodenschätze von Anlegern gerne über einen Kamm geschert werden, sind sie tatsächlich höchst individuell, was Angebot und Nachfrage angeht. Der Markt macht einen Fehler, wenn er dies nicht berücksichtigt, Anleger verpassen Chancen und übersehen Risiken.
Jeder Rohstoff hat seine eigene Geschichte, sagt daher auch Branchenexperte Christopher Ecclestone von Hallgarten & Co., einer Investmentbank, die sich auf den Rohstoff- und Energiesektor spezialisiert hat. Gold und Silber sieht er im Gespräch mit der Redaktion von "The Metals Report" in der Krise und es sei fraglich, ob schon ein Boden gefunden sei. Das ist angesichts der Kursentwicklung der beiden Edelmetalle wenig überraschend. Ecclestone warnt aber zugleich davor, dieses Bild auf andere Bodenschätze zu übertragen. Komme es zu einer Konjunkturerholung, seien Basismetalle mögliche Favoriten.
Zudem lohnt eine Einzelbetrachtung der Rohstoffe. Andere Edelmetalle wie Platin oder Palladium haben nicht das Krisenszenario von Gold und Silber. Das hat Gründe: Im Platinsektor kommt es zu umfassenden Neuordnungen in der Förderindustrie des Weltmarktführers Südafrika, Produktionskapazitäten sinken. Bei Palladium rechnet man am Markt damit, dass das zuletzt große Angebot aus russischen Lagerbeständen abflauen und schließlich versiegen wird. Interessante Rohstoffe seien zudem unter anderem Flussspat oder Hightech-Materialien wie Gallium oder Germanicum. Eine der laut Ecclestone spannendsten Stories bietet ein Rohstoff, den der Experte selbst als eigentlich langweilig bezeichnet: Antimon. Neue Anwendungen im Bereich der Autoindustrie haben den Preis für das Halbmetall explodieren lassen, nachdem die Rohstoffindustrie aufgrund einer starken chinesischen Dominanz bei der Förderung die Suche nach Antimon-Vorkommen international völlig vernachlässigt hatte.
Das Beispiel zeigt, wie schnell ein vorher kaum beachteter Rohstoff plötzlich hoch interessant werden kann. Das gilt auch für Unternehmen. Die Branche leidet derzeit unter heftig fallenden Aktienkursen, was den Druck zu Restrukturierungen der Unternehmen steigert. Kostensenkungen sind zu sehen, aber derzeit kaum Aktivitäten im Bereich der Übernahmen und Zusammenschlüsse. Dabei könnten solche Deals den Konzernen durchaus Vorteile bieten. Die Bewertungen der Rohstoffreserven sind niedrig und man könnte die eigene Position verbessern, zudem über Rohstoffe und Regionen hinweg diversifizieren. Das senkt Risiken, so Ecclestone. Er selbst hätte lieber einen Produzenten von Silber und Zink im Portfolio als nur einen Silberförderer.
Zudem könnten solche Zusammenschlüsse laut Ecclestone weitere Synergien fördern, die derzeit weniger im Fokus stehen: Die Ausgaben für die Konzernzentralen. Mergers zweier Unternehmen zu einem machen hier viele Ausgaben überflüssig, diese sind schlicht doppelt vorhanden. Rohstoffexperte Ecclestone sieht hier viel zu große Ausgaben, Unternehmen könnten durch Zusammenschlüsse Skaleneffekte nutzen. Chancenreich seien solche Mergers vor allem dann, wenn zwei mittelgroße Unternehmen zusammen wachsen. Dann hätte der neue Konzern die kritische Masse, um zu einem Major der Branche aufzusteigen. Zudem seien M&A-Aktivitäten über verschiedene Rohstoffe hinweg interessant: So mache es laut Ecclestone aus vielen Gründen Sinn, einen mittelgroßen Kupferproduzenten mit einem Nickel- oder Zinkförderer zu kombinieren. Zudem plädiert der Experte für den Kauf billiger, kleinerer Projekte anstatt der Übernahme von Großprojekten.