Bolivien und der Silberberg

Bolivien ist ein südamerikanischer Binnenstaat, der nach Simón Bolívar, einem Freiheitskämpfer und Nationalhelden in vielen südamerikanischen Staaten benannt ist. Bolívar führte die Freiheitskämpfe gegen die spanische Kolonialherrschaft an, die Bolivien bis heute nachhaltig geprägt hat. Bolivien wird von zwei großen und weit auseinander liegenden Ketten der Anden durchzogen, deren Höhe bis über 6500 Meter reicht. Zwischen den beiden Gebirgsketten liegt das zentrale Hochland, welches auf einem Höhenlevel von 3000 bis 4000 Meter befindet. Auch der Regierungssitz und die wichtigste Stadt Boliviens, La Paz, befindet sich auf dieser Hochebene und liegt auf einer Höhe von etwa 3600m, und ist somit der höchstgelegene Regierungssitz der Welt.

Obwohl Bolivien reich an Bodenschätzen ist, war dies in der Vergangenheit eher ein Fluch als ein Segen für das Land. Im 16. Jahrhundert war Bolivien für seinen Silberberg in der Nähe von Potosi, der seinerzeit größten Silbermine der Welt bekannt. Während in großen Teilen Lateinamerika afrikanische Sklaven importiert worden, um die harte Arbeiten zu erledigen, so scheiterte dieser Versuch in Potosi aufgrund der sauerstoffarmen Höhenluft auf einem Höhenniveau von 4000m bis 5000m über Meereslevel. Die meisten Sklaven starben, bevor sie unter Tage eingesetzt wurden. So wurde die indigene Bevölkerung zum Bergbau gezwungen. Während zwischen der Mitte des 16. Jahrhunderts und dem Jahr 1800 überwiegend Silber abgebaut wurde, dominierte später (nachdem die Silbervorkommen weitestgehend erschöpft waren) der Abbau von Zinn. Der Haupteinkommenszweig von Potosí ist auch heute, nach über 450 Jahren, weiterhin der Bergbau am Cerro Rico, dem Berg am Stadtrand, der die Stadt im frühen 17. Jahrhundert zu einer der bedeutendsten Städte der Spanischen Krone mit mehr als 100.000 Einwohner gemacht hat. Das Silber aus Potosi wurde über den Rio Pilcomayo und den Rio Parana zum Rio da la Plata (Silberfluss) abtransportiert, wobei das Silber von Potosi namensgebend für diese Mündung zwischen Uruguay und Argentinien ist.

Bolivien ist wirtschaftlich das schwächste und ärmste Land Südamerikas, sein nominales Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner betrug im letzten Jahr lediglich 2.246 US-Dollar pro Kopf. Nachdem die Rohstoffpreise in den letzten 10 Jahren stark gestiegen sind, erlebt der Bergbau in Bolivien einen zweiten Frühling. Neben den bekannten Silber-, Zinn- und Kupfervorkommen sind in der jüngsten Vergangenheit die Vorkommen an Eisenerz, insbesondere aber die Lithiumvorkommen Boliviens in den Fokus der internationalen Bergbaukonzerne gerückt. Der an der Südwestgrenze zu Chile gelegene Salzsee "Salar de Uyuni" mit geschätzten 46,5 Mio. Tonnen ausbeutbaren Vorkommens an Lithium das derzeit weltweit größte bekannte Vorkommen dieses Leichtmetalls. Zudem verfügt Bolivien über große Erdgasvorkommen, wobei die Erdgasindustrie unter der sozialistischen Regierung unter staatliche Kontrolle gestellt wurde.

Ob Bolivien in Zukunft stärker von seinem Rohstoffreichtum profitieren kann, wird sich zeigen. Die Regierung steht vor der Aufgabe, ausländische Investoren nicht zu vertreiben, aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die eigene Bevölkerung an diesem Aufschwung partizipiert. Ob dieser Spagat gelingt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen, die Bodenschätze für den wirtschaftlichen Aufschwung sind vorhanden.

Ihr Manuel Giesen