Afrika – Größenwahn und mangelnde Infrastruktur

Die Regierung in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) hat große Pläne. Nachdem der Rohstoff-Reichtum zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in der DRK geführt hat, plant die Regierung nun (zusammen mit einem südafrikanischen Partner), ab Oktober 2015 das größte Wasserkraftwerk der Welt zu bauen. Dieses Bauwerk soll etwas 150km von der Mündung des Kongo in den Atlantik gebaut werden. Prinzipiell eignet sich der Kongo aufgrund seines Wasserreichtums (nur der Amazonas führt mehr Wasser) sehr gut für ein solches Projekt, und auch ein entsprechend großer relativer Höhenunterschied ist in der geplanten Region vorhanden. Das dieses Wasserkraftwerk mit bis zu 40.000 Megawatt jedoch mehr Energie als der 3-Schluchten Staudamm in China liefern soll, lässt die Größe und die damit verbundenen Schwierigkeiten des Projekts erahnen.

Zum einen ist der Kongo in großen Teilen Grenzfluss zwischen der DRK und der Republik Kongo, was sicherlich politische Spannungen und Komplikationen beim Bau des Kraftwerks hervorruft, zum anderen bedeutet ein solches Wasserkraftwerk mit einem riesigen Stausee einen gewaltigen Eingriff in die einzigartige Natur. Aber selbst wenn sich alle Parteien und Interessensvertreten letztendlich auf den Bau eines so gewaltigen Kraftwerks einigen können, so beginnen mit der Inbetriebnahme erst die Schwierigkeiten. Die gewaltige Energiemenge von geplanten ca. 40.000 Megawatt (das entspricht ca. 30 Atomkraftwerken) benötigt Abnehmer. Selbst wenn man die beiden Großstädte Brazzaville (Kongo) und Kinshasa (DRK) als direkte Abnehmer gewinnt, so entspricht dies bestenfalls einen Bruchteil im einstelligen Prozentbereich. Positiv ist jedoch zu bewerten, dass billige und hinreichend verfügbare Energie die Ansiedlung von energieintensiven Industrien wie Aluminiumwerken oder Kupferhütten begünstigt und somit größere Teile der Wertschöpfung der (ohnehin schon vorhandenen Rohstoffindustrie) in der Region bleiben.

Bislang leben in Subsahara-Afrika (also dem Teil Afrikas südlich der Sahara) noch ca. 590 Millionen Menschen ohne Stromanschluss, mehr als 80% der Bevölkerung kochen mit Holz und Holzkohle über offenem Feuer. Kritiker behaupten, dass die chronischen Stromversorgungsengpässe jeglichen Fortschritt bei der Armutsbekämpfung und eine nachhaltige Entwicklung in der Region ausbremsen würden. Ist das Megaprojekt hier ein Schlüssel für dauerhaften Wohlstand? Zum Teil, denn eine sicher Energieversorgung ist ein wichtiger Faktor für die Ansiedlung von Gewerbe und Industrie und damit neue, dauerhafte und qualifizierte Arbeitsplätze. Zum anderen sind die logistischen Probleme bei der Verteilung des Stroms schon jetzt absehbar. Wenn es selbst bei einem entwickelten Land wie der Bundesrepublik Deutschland größere Probleme beim Netzausbau gibt, um den Strom aus den Windparks in Nord- und Ostsee an die großen Verbraucher im Landesinneren zu verteilen, dann sind die Probleme in einer vergleichsweise dünn besiedelten Region wie Subsahara-Afrika ungleich größer.

Ein einfacher Ausbau von Überland-Stromtrassen im Wechselstrom scheidet aus, da die Leitungsverluste über viele hundert Kilometer so groß wären, dass nur Bruchteile des Stroms überhaupt in entfernteren Zielgebieten ankämen. Die Lösung liegt (ähnlich wie auch schon beim geplanten Desert-Tec Projekt) in der Wandlung von Wechselstrom in Gleichstrom und der Übertragung über viele hunderte Kilometer mit vergleichsweise geringen Verlusten. Prinzipiell ist diese Technologie verfügbar, wie weit sich die Staaten hier jedoch auf ein gemeinsames Stromnetz und den gemeinsamen, zügigen Ausbau der Infrastruktur einigen können, bleibt abzuwarten. Während man in den Industrienationen zunehmend Tendenzen zu einer dezentralen Stromversorgung erkennen kann, wäre die Abhängigkeit von einem Mega-Kraftwerk auch politisch ein gewaltiges Wagnis, denn wer die Macht über dieses Kraftwerk besitzt, kann hier sehr massiv Druck ausüben. Es bleibt abzuwarten, wann und wie dieses Projekt tatsächlich umgesetzt wird und welchen Nutzen die breiten Bevölkerungsschichten daraus ziehen können.

Ihr Manuel Giesen