Silber: Was bewegt die Preise?

Silber: Was bewegt die Preise?

Schon seit April 2011 macht der Silberpreis den Fans des Edelmetalls nur temporär Freude. Seitdem ist der Feinunzenpreis von knapp 50 Dollar im Tief bis auf 26 Dollar zurückgefallen, erstmals im September 2011 erreicht. In der Zeit danach hat sich die Feinunze zwischen 26 Dollar und knapp 36 Dollar seitwärts bewegt, nur einmal ging es bis auf 37,50 Dollar nach oben.

So ist es kein Wunder, dass man am Markt immer wieder darauf spekuliert, dass der Silberpreis in Richtung des 2011er-Hochs ausbricht. Bisher ist diese Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen, obwohl Silber im Vergleich zum Gold weit unter historischen Durchschnitten bewertet ist, wie jüngst Edelmetall-Papst Eric Sprott herausgestellt hat. Der Rohstoffexperte ist nicht zuletzt aus diesem Grund sehr bullish und erwartet eine starke Silberhausse in der nächsten Zeit, die den Kurs auf ein Vielfaches des jetzigen Wertes treiben soll.

Doch wie realistisch ist dies? Dies zu bewerten, ist äußerst schwierig. Extrem viele Faktoren beeinflussen den Silberpreis zum Teil massiv, die an der Börse zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich stark beachtet werden. Die vergangenen Jahre waren seit Aufkommen der großen Finanzmarktkrisen vor allem von Ängsten vor möglichen inflationären Nachwirkungen der sehr expansiven US-Notenbankpolitik geprägt. Auch ohne dass diese Inflationstendenzen aufgekommen sind, hat die Spekulation die Kurse der beiden Edelmetalle in den vergangenen Jahren stark in die Höhe getrieben. Das gilt vor allem für den Goldpreis, der klassischen "Inflationsversicherung" – zumindest in den Köpfen der Investoren.

Wie geht es nun weiter mit dem Silberpreis? In den kommenden Tagen werden wir mit mehreren Artikeln immer wieder auf einzelne Aspekte eingehen, die diesen Rohstoff bewegen. Einer der Aspekte, um die es dabei geht, ist das Angebot an Silber.

Das Edelmetall wird vielfach als Beiprodukt gewonnen, weshalb größere Teile der Produktion von Silber nicht direkt vom Silberpreis abhängig sind, sondern vielmehr von Investitionsentscheidungen bei Minenbetreibern, die vor allem andere Rohstoffe fördern wollen. Dieser Faktor gibt dem Angebot an Silber eine gewisse Stabilität auch in Phasen schwacher Preise, wo – siehe zum Beispiel den Platinsektor – sonst Förderer ihre Produktion kürzen würden.

Hiervon wäre bei schwachen Preisen aber auch das Silberangebot nicht gänzlich gefeit. Schaut man einmal auf die Kosten der Unternehmen, die vornehmlich Silber fördern, so wird eines klar: Allzu viel tiefere Preise würden das Umfeld für Silberkonzerne deutlich verschlechtern, wenn nicht sogar die operative Tätigkeit unattraktiv machen. Das Problem zeigt sich noch nicht, wenn man lediglich die meist sehr niedrigen Cashkosten für die Förderung einer Feinunze ansetzt. Doch das ist nur ein Teil der Ausgaben, die die Konzerne wirklich vornehmen, um Silber aus dem Boden zu holen. Rechnet man alle Ausgaben mit hinein, begonnen bei der Exploration und dem Aufbau der Mine bis hin zu den operativen Kosten für die Gewinnung einer Unze, so wird eins klar: Die Marge, mit der die Branche arbeitet, ist bei weitem nicht so groß wie die Cashkosten suggerieren. Das gibt dem Silberpreis eine gewisse Stabilität nach unten. Seit rund 1,5 Jahren scheint der Markt diese "magische Grenze" bei rund 26 Dollar zu ziehen.

Wir haben im ersten Abschnitt bereits auf die Bedeutung der Produktionskosten für den Silberpreis hingewiesen. Oftmals hat der Markt dabei ein schräges Bild von den Kosten, die anfallen, um eine Silberunze aus dem Boden zu holen. Die Intransparenz haben die Konzerne zu verantworten, die in der Öffentlichkeitsarbeit gerne die wenig aussagekräftigen Cashkosten der Förderung in den Fokus stellen. Damit lässt man aber wesentliche Kosten unter den Tisch fallen.

Für die Konzerne bedeutet dies, dass der Silberpreis ihnen aktuell wesentlich kleinere Gewinnspannen ermöglicht als dies die Cashkosten suggerieren. Das hat dramatische Folgen für die Gewinnentwicklung. Kommt es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen, landet der Silberförderer schneller als gedacht in der Verlustzone. Die Konsequenz daraus: Silberangebot würde vom Markt verschwinden – und diese Erkenntnis stabilisiert den Silberpreis über einer gewissen Barriere, die die Branche braucht, um erfolgreich zu wirtschaften.

Zuletzt schien diese Barriere um 26 Dollar zu liegen – so zumindest die Meinung des Marktes, der den Silberpreis hier mehrfach aufgefangen hat. Doch die Barriere könnte sich nach oben verschieben. Derzeit geht man in der Branche davon aus, dass die meisten Förderer bei Kursen von 30 Dollar je Silberunze auf jeden Fall Geld verdienen können. Doch die Erfahrung zeigt, dass der Kostendruck stark zunimmt. Meist liest man dann in der Presse von steigenden Energiekosten, doch der Druck kommt gleich von verschiedenen Seiten.

Die Expansion der Bergbaubranche in den vergangenen Jahren hat Ressourcen knapp und damit teuer werden lassen. Damit sind allerdings nicht die Bodenschätze gemeint, sondern eine ungleich wertvollere Ressource: Qualifiziertes Personal. Das gilt insbesondere für Explorationsarbeiten, die den beteiligten Personen einiges an Know-How abverlangen. Vor allem in entlegenen Gebieten macht der Fachkräftemangel zu schaffen, hier drücken dann gleich auch noch die Herausforderungen bei der Logistik für Exploration, Minenbau und Förderung die Kosten nach oben. Hinzu kommt, dass viele Länder ihre Regularien verschärfen, weshalb die Rohstoffunternehmen größeren Aufwand betreiben müssen, bis eine Mine in Produktion gebracht werden kann. Das und eine Menge weiterer Faktoren treibt die Ausgaben und erhöhen die tatsächlichen Kosten je Unze, die ein Förderer aufbringen muss.

Von diesen Kostensteigerungen sind übrigens weder große noch kleine Unternehmen gefeit. Ein Blick auf das Edelmetallprojekt Pascua-Lama von Barrick Gold zeigt dies. Der Konzern will hier Gold und Silber fördern. Vor etwa sechs Jahren ging man davon aus, dass man die Anlagen innerhalb von drei Jahren für vier Milliarden Dollar bauen kann. Heute weiß man es besser. Gefördert wird immer noch nicht und die Kosten bis zur Fertigstellung werden sich mehr als verdoppeln. Pascua-Lama ist damit gewissermaßen ein Stuttgart 21 in den südamerikanischen Bergen an der Grenze von Chile und Argentinien.

Solche Kostenexplosionen aber treiben den Mindestpreis nach oben, den die Branche braucht, um mit Silber Geld zu verdienen. Da kein Ende des Kostendrucks in Sicht ist, wird sich auch diese Mindestpreisgrenze langfristig weiter und weiter nach oben verschieben. Für den Silberpreis kann das die geschilderten, weit reichenden Folgen haben.

Gold und Silber sind zwei ungleiche Brüder. Beide Edelmetalle werden zwar oft in einem Atemzug genannt, gehorchen allerdings grundsätzlich anderen Parametern bei Angebot und Nachfrage. Was das bei der Silberförderung bedeutet, haben wir bereits aufgezeigt. Bei der Nachfrage nach den Metallen gibt es aber ebenfalls fundamentale Unterschiede – aller positiven Korrelation der beiden Feinunzenpreise zum Trotz.

Während Gold im Vergleich zum Silber wesentlich stärkere Bedeutung als Investment- und Spekulationsobjekt für Finanzanleger hat, ist das Silber wesentlich stärker von industriellen Faktoren abhängig. Beiden gemeinsam ist die große Bedeutung für die Schmuckbranche, hier hat Gold die Nase vorn. Gold hat durchaus auch industrielle Anwendungsbereiche, vor allem in elektronischen Bauteilen. Doch industriell findet das Silber eine stärkere Beachtung und neue Anwendungsbereiche.

Einer der Branchen, die immer größeren Bedarf an Silber hat, ist die Solarindustrie. Das Edelmetall wird in der Produktion von Solarmodulen eingesetzt und die Nachfrage ist über die vergangenen Jahre stetig gestiegen. War zu Beginn des neuen Jahrhunderts noch eine völlig unbedeutende Silbernachfrage aus der Solarbranche vorhanden, so ist diese mittlerweile zu einem wichtigeren Faktor geworden – zugleich hat allerdings der Silberbedarf aus der Fotoindustrie abgenommen. Beide Bereiche allerdings kommen nicht an die Elektronik- und Schmuckindustrie heran.

Dennoch kann vor allem die Solarbranche in den kommenden Jahren ein preisbestimmender Faktor werden. Derzeit läuft es in der Branche eher schlecht, sinkende staatliche Förderungen in etablierten Solarenergiemärkten wie Deutschland haben das Wachstum der Branche nicht wie erwartet ausfallen lassen. Das hat auch den Zuwachs der Silbernachfrage aus der Industrie stark gebremst. Doch dies ist kein Zustand, der von Dauer sein muss. Neue Solarmärkte entstehen und die Wachstumsimpulse in der Industrie kommen aus anderen Regionen. Mittel- und langfristig sind daher für Silber Nachfrageimpulse aus der Solarenergiebranche zu erwarten. Offen bleibt, wie die Branche Silberpreissteigerungen größerer Art verkraften könnte.

Hinzu kommt ein weiterer Faktor, der ohnehin in aller Munde ist: China. Das Wirtschaftswachstum in dem Land stand zuletzt unter Druck und fiel enttäuschend aus. Doch der asiatische Wirtschaftsriese kommt aus seinem Wachstumsloch heraus. Die gerade inthronisierte neue politische Führung in Peking dürfte nur wenig unversucht lassen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Auch das wird sich angesichts der zahlreichen Anwendungsbereiche des Silbers in der Industrie steigernd auf die Nachfrage nach dem Edelmetall auswirken.

Bleibt noch der Blick auf die Schmuckbranche und das Silber als Investmentmetall. Nach dem deutlichen Kursanstieg des Goldes könnte es hier in beiden Bereichen zu Substitutionseffekten kommen, unter anderem weil Silber im Vergleich zum Gold auf historischer Basis nicht gerade teuer ist. Vor allem in Ländern wie Indien sollten Silberinteressierte daher auf die Entwicklung der Nachfrage nach dem Rohstoff achten, denn aus dieser Richtung können ebenfalls Preisimpulse kommen.

Zum Abschluss wollen wir einen kurzen Blick auf die Charttechnik des Edelmetalls werfen. Dessen Feinunzenpreis wurde seit Anfang Oktober 2012 von 35,39 Dollar deutlich nach unten gedrückt. Erst in den vergangenen Wochen ist dem Silberpreis eine mögliche Bodenbildung gelungen, die sich oberhalb von 27,96 Dollar bzw. 28,29/28,35 Dollar abspielt.

Vollständig ist diese Bodenbildung aber noch nicht, denn der Begriff impliziert eine Trendwende nach oben – und diese ist dem Silberpreis bisher nicht gelungen.

Der Blick auf den Kursverlauf zeigt, dass sich zwischen 29,23 Dollar und dem Bereich 29,62/30,18 Dollar hierfür entscheidende charttechnische Hürden zeigen. Mit zwei Erholungshochs bei 29,48 Dollar und 29,37 Dollar hat das Silber diese Zone insgesamt noch nicht in Gefahr bringen können.

Der Ausblick:

Bereits ein Anstieg über diese beiden jüngsten Erholungshochs aber könnte das Chartbild des Silberpreises schon spürbar verbessern.

Entsprechend aufmerksam sollten Trader auf die Zone 27,96/29,48 Dollar achten, hier entstehen neue Impulse. Nach nach unten hin liegt zudem oberhalb von 26 Dollar eine weitere und sehr starke Unterstützungszone mit übergeordneter Bedeutung.